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Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Titel: Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
Autoren: Astrid Herbold
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über den Rand hinaus und kochte immerzu, die Küche und das ganze Haus voll und das zweite Haus und die Straße, als wollte er die ganze Welt satt machen. Und wer wieder in die Stadt wollte, der musste sich durchessen. Abends kam die Mutter nach Hause und sprach an der Tür: »Macht mir auf, Kinder, euer liebes Mütterlein ist heimgekommen und hat jedem von euch etwas aus dem Schnäppchenmarkt mitgebracht.«
    Als niemand antwortete, befürchtete sie schon das Schlimmste. Dabei lagen ihre Kinder nur zerknirscht in ihren Betten und stellten sich schlafend. Von Stund an gab es nur noch Beeren und Brotkrumen.
    Anderntags ging die Mutter wieder in ihr Hexenhäuschen und tat, was Frauen am besten können: dekorieren, kommunizieren, networken, akquirieren. Zunächst, und um die Kundschaft anzulocken, begann sie zu handeln: mit gut erhaltener Second-Hand-Kinderkleidung, ausgefallenem Spielzeug, origineller Bettwäsche. Viel Marktgeschrei und zahlreiche Supersonderangebote begleiteten ihren Geschäftsstart: »Gute Ware, schöne Ware feil, feil! Reparatur, Sonderanfertigung, Einzelstücke, feil, feil!« Ihr guter Geschmack und ihre sensationellen Tiefstpreise sprachen sich bald herum. Auch ihre große Klugheit, denn man konnte bei ihr immer umsonst ein Schwätzchen halten und bekam dazu auch noch einen leckeren Cappuccino und einen knusprigen Keks. Jeden Tag reisten deshalb Damen aus aller Herren Länder zum Hexenhäuschen und wollten bei ihr rote Filzmützchen für ihre Patenkinder kaufen und sich über das übliche Vereinbarkeitsproblem unterhalten.
    »Wenn ich nur wüsste, wie pausieren von meinem großartigen Job, gleich würde ich losgehen und ein paar Kinder bekommen«, klagten die Kinderlosen.
    »Wenn ich nur wüsste, was tun mit meiner unfreiwilligen Freizeit; ein bisschen würde ich so gerne wieder arbeiten«, klagten die Kinderreichen.
    »Wenn ich nur wüsste, wohin am Tage und bei Nacht mit meinem lieben Kind«, klagten die Alleinerziehenden, »gerne wollt ich dann mein Geld selbst verdienen.«
    »Wenn ich nur wüsste, wo ein sanftes Weib auf mich wartet«, sprachen die Single-Männer, die sich gelegentlich aus Versehen zu ihr verirrten, weil sie falsch von der Autobahn abgefahren waren, »ich wollte sie gleich heiraten und dann auch ganz bestimmt die halbe Elternzeit übernehmen, wenn sie das wünscht.«
    »Ich weiß wahrlich um Ihre Sorgen«, sprach sie zu ihren Kunden, »und ich wünschte wie Sie, wir lebten in einer Zeit, wo das Wünschen noch helfen würde. Aber erlauben Sie dennoch untertänigst, dass ich Sie in meine Kartei aufnehme?«
    Viele willigten spontan ein, weil das freundliche Wesen der Second-Hand-Händlerin sie überzeugte. Und natürlich, weil es nichts kostete. Die findige Hexenhaus-Pächterin aber legte sich flugs einen alten Computer zu, lieh sich aus der Bücherei ein Buch über Datenbanken aus und begann, die frommen Wünsche ihrer Kunden zu katalogisieren.
    Fortan verdingte sie sich als Kupplerin im Bereich individuell maßgeschneiderter Beschäftigungsverhältnisse. Sie brachte schwangere Abteilungsleiterinnen auf der Suche nach einer verlässlichen Halbjahresvertretung mit hoch qualifizierten Müttern auf der Suche nach einem Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zusammen, expandierende Mittelständler mit flexiblen Freiberuflerinnen, innovative Start-up-Unternehmerinnen mit risikofreudigen Investoren, arbeitslose Illustratorinnen mit ambitionierten Kinderbuchautorinnen. Sie vermittelte außerdem Hebammen, Tagesmütter, Haushaltshilfen, Erziehungsberaterinnen, Nachhilfelehrerinnen, professionelle Behördengänger, Farb-, Stil- und Einkaufsberaterinnen, Bewerbungscoaches. Und allen, die wollten, bot sie auch noch kostengünstige Park- und Arbeitsplätze in kreativen Bürogemeinschaften direkt bei ihr nebenan im immer voller werdenden Gewerbegebiet an (was sie sich vom dankbaren Vermieter mit den maklerüblichen 2,5 Monatsmieten vergüten ließ).
    Unter der Ladentheke betrieb sie außerdem halb heimlich den seriösen Begleitservice »Princess For One Day« für die anspruchsvolle Akademikerin. Und die kleine, aber qualitativ hochwertige Partnerbörse »I Love Holzfäller« für ungefähr die gleiche Zielgruppe. Aus beiden Tätigkeiten erwuchs nach nicht allzu langer Zeit auch noch eine Mitfahr- und Mitwohn-Zentrale, eine auf exotisch-folkloristische Hochzeiten spezialisierte Wedding-Planner-Firma, ein Umzugsunternehmen mit angegliederter Relocation-Agentur, ein Schlüsseldienst für
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