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Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Titel: Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
Autoren: Astrid Herbold
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Hausfrauen-Hobby! Soll sie doch endlich kommen, die flexibilisierte Hyperarbeitsgesellschaft! Das allzeit einsatzbereite Dienen und Leisten haben wir schließlich seit Jahrhunderten im stillen heimischen Kämmerlein erprobt. Selbstausbeutung 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche – wahrlich, das schrecket uns nimmermehr!«, rief sie den Müttern von Dornröschen, Schneeweißchen und Hänschen klein auf den Spielplätzen ihrer Stadt zu. »Lasset uns die weibliche Selbstständigkeit nicht nur zum privaten Vergnügen, nicht nur als Mittel zum Zwecke schnöden Geldverdienens praktizieren. Lasset uns stattdessen an einer großen Idee, einem gesamtgesellschaftlichen Lösungsansatz mitwirken.«
    Alsbald ging sie mit ihren Ideen zu einem gläsernen Schloss, in dem man das Geld anderer Leute in großen Kammern hütete, und bat dort um einen kleinen Kredit. »Wenn Sie mir doch nur 10 000 Goldtaler leihen wollten, so will ich Ihnen bald das Vielfache zurückzahlen.«
    Aber die Schatzmeister trauten ihr und ihrem Businessplan nicht und sprachen nur hochnäsig: »Ja, wo sind denn Ihre Sicherheiten?« »Sicherheiten hab ich nicht«, sagte sie, »aber ich verspreche Ihnen den zehnten Teil meiner Erträge.«
    »Das reicht uns nicht«, sagten die Schlossangestellten. »Haben Sie sonst nichts zu bieten? Ihren Körper? Ihre Kinder?«
    Das war natürlich nur ein blöder Scherz von den Herren Schatzmeistern. Sie aber fand das gar nicht lustig, sondern geriet nun richtig in Wut. Die Haare flogen ihr wild um den Kopf, sie riss sich das Leibchen auf, trat nach ihnen mit dem Fuße und schrie: »Ich halte und halte das nicht länger aus!«
    Aber weil die feinen Herren nur noch lauter lachten, packte sie sie zuletzt an den Schultern und warf sie mit aller Kraft gegen die Wand. »Nun werdet ihr Ruhe geben, ihr garstigen Frösche.«
    Da lagen sie nun und hielten sich ihre blutenden Scheitel. Sie aber wies jede Schuld von sich: Die Not habe ihre Faust leider hart und ihr Herz humorlos gemacht. Die Goldtaler ließ man ihr trotzdem nicht zukommen. Nur eine Anzeige wegen Körperverletzung. Ja, so sind die Menschen.
    So wanderte sie einige Zeit im Elend herum und geriet endlich in eine Wüstenei, in der die Mieten günstig und die tariflichen Mindestlöhne niedrig waren. »Hier will ich bleiben«, sprach sie, »denn das muss wohl ein aufgegebenes ostdeutsches Gewerbegebiet sein.« Auch fand sie dort hinter einer dornigen Hecke ein kleines leer stehendes Hexenhäuschen, das für die Höhe der Betriebskosten zu pachten war, weil sich der Besitzer durch die Zwischennutzung eine prächtige Wertsteigerung seiner Immobilie erhoffte. Sie mähte das Gestrüpp nieder, entfernte die Spinnweben von den Scheiben und stellte einen Tisch und vier Schemel hinein. Zuletzt klebte sie ein selbst gemaltes Schild an die Tür: »Goldregen – Die Eine-für-Alles-Agentur«.
    Zu ihren Kindern daheim sprach sie: »Macht niemandem die Türe auf, vor allem nicht dem großen, bösen Wolf von Arcor. Der will uns nur einen Knebelvertrag aufschwatzen. Öffnet auch nicht dem Gerichtsvollzieher. Und erst recht nicht dem Vorwerk-Vertreter. Die Bösewichte verstellen sich oft, aber an ihren freundlichen Stimmen, ihrem weichen Händedruck und dem feinen Zwirn ihrer Kleidung werdet ihr sie gleich erkennen. Wenn euch hungert, dann kocht euch Spaghetti. Wenn euch dürstet, dann trinkt ein Schlückchen Wasser aus dem Hahne. Und wenn es euch sonst an etwas fehlet, dann klingelt mich auf dem Handy an. Ich aber, liebe Kinder, will hinausgehen in die weite, wilde Welt und sie erobern. Das Baby nehme ich mit, das kann im Büro im Kinderwagen schlafen. Und ihr macht hier keinen Blödsinn, verstanden.«
    »Ach, wir versprechen dir alles, was du willst, wenn du uns nur heute Abend ein paar Nüsse und Zweiglein von deinem Heimweg mitbringst«, sprachen die Kinder zu ihrer Mutter.
    »Ihr wollt mich doch verarschen«, rief die erstaunte Mutter aus.
    »Nein, nein«, antworteten die Kinder artig, »wir werden schon alles gut machen«, und gaben ihrer Mutter die Hand darauf.
    Kaum aber hatte die Mutter das Haus verlassen, lachten die Gören aus vollem Halse und taten natürlich nicht, wie die Mutter ihnen geheißen hatte. Sondern nutzten die Gelegenheit, stundenlang unbeaufsichtigt Fernsehen zu gucken und sich nebenbei noch einen riesigen Berg süßen Griesbreis zu kochen. Weil sie aber nicht wussten, wie schnell Milch überkochen kann, wenn man nicht stetig umrührt, stieg der heiße Brei bald
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