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Wir neuen Großvaeter

Wir neuen Großvaeter

Titel: Wir neuen Großvaeter
Autoren: Rainer Holbe
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murmelt: »Ja, warte nur, balde ruhest du auch!«
    Â»Er ist der Wanderer, der sich auf die Nacht zu bewegt, auf den Schlaf, aus dem es kein Erwachen gibt«, schreibt Sigrid Damm in ihrem Buch. »Er liest sein Nachtlied als Todeslied.«
    Das Haus ist bestellt, ein ausführliches Testament regelt den Nachlass. Goethe, dessen Sohn August ein paar Jahre zuvor in Rom gestorben war, vermacht seinen Besitz der Schwiegertochter Ottilie und den drei Enkeln, bedenkt auch die Bediensteten im Haus und bestimmt seine Sekretäre zu Verwaltern des geistigen Erbes. Bis in die allerletzten Tage führt er seine Korrespondenz weiter, bleibt klar und wach. Im März 1832 erkältet er sich nach einer Fahrt mit der Kutsche. Er bekommt eine Lungenentzündung, dann versagen die Atmung und das Herz.
    Am 22. März stirbt Johann Wolfgang von Goethe in seinem Lehnstuhl neben dem Bett. Um die Mittagsstunde, in der er auch geboren wurde. Nach seiner letzten Reise war er endlich angekommen.
    Ãœber die Zukunft der Enkel war bei Goethes Tod nichts entschieden. Finanziell hatte Goethe die Erben abgesichert. Alma ging mit ihrer Mutter nach Wien und starb früh. Walther versuchte ein Musikstudium, was trotz einer intensiven Freundschaft mit dem Komponisten Robert Schumann fehlschlug. Wolfgang studierte Jura und Philologie, veröffentlichte auch ein Bändchen Gedichte. Die beiden jungen Männer waren nicht gesund und führten ein völlig zurückgezogenes Dasein. Als Kammerherren von Herzog Carl Alexander traten die beiden
Enkel später in den diplomatischen Dienst ein und fanden endlich die berufliche Anerkennung.
    Ihr größter Verdienst gegenüber der Nachwelt ist jedoch, das Erbe ihres berühmten Großvaters bewahrt zu haben. Walther und Wolfgang hätten die beiden Häuser in Weimar, die Bücher, Bilder, Sammlungen und Manuskripte mit großem Gewinn veräußern können. Gegen vielerlei Widerstände gelang es ihnen jedoch, das großväterliche Erbe zu schützen und zu bewahren. Durch Walthers kluges Testament wurden die Grundlagen für das Goethe-Nationalmuseum und die Goethe-Gesellschaft geschaffen. Auch in Goethes Wohnhaus am Frauenplan sowie im Gartenhaus an der Ilm war in all den Jahren nichts verändert worden, sodass die beiden Anwesen – ganz im Sinne des Olympiers – für die vielen Besucher aus aller Welt zu neuem Leben erweckt werden konnten. Meinen Enkeln Ferdinand, Leo und Max habe ich einen Besuch in Weimar schon lange fest versprochen.

    Mattekuchen und Schlesien-Abend
    Â 
    Mein Großvater mütterlicherseits war einfach ein guter Mensch, der nicht böse sein konnte. Jedenfalls habe ich ihn nie böse erlebt. Ich erinnere mich gerne an ihn, zumal ich ihm immer ähnlicher bin, je älter ich werde: ein oberhessischer Bauernschädel, der Platz braucht. Wenn ich meine Großeltern besuchte, wünschte ich mir stets ein Stück Mattekuchen, der hauptsächlich aus Käse bestand. Mein Großvater bewahrte diesen Kuchen – es gab ja noch keine Kühlschränke – im kältesten Zimmer des Hauses auf dem Kleiderschrank auf. Meine erste Amtshandlung nach meiner Ankunft war dann, mit dem
Messer in der Hand ein Stück vom noch warmen Mattekuchen abzusäbeln. Diese fast schon rituelle Handlung verbinde ich stets mit der Erinnerung an diesen Großvater.
    Der andere Großvater – der Vater meines Vaters – war aus Oberschlesien vertrieben worden. Es war in meiner Kindheit üblich, dass meine Eltern mit mir an jedem Freitag die Großeltern besuchten. Da war Schlesien-Abend angesagt. Es gab schlesische Gerichte und Anekdoten aus der verlorenen Heimat. Als ich älter wurde, stellte sich schon manchmal das Gefühl ein: schrecklich, wieder Schlesien-Abend. Doch im Nachhinein ist mir bewusst geworden, wie wichtig es für meine Großeltern war, über ihre Vergangenheit zu reden. Denn die Wunden, die der Verlust der Heimat schlägt, können zwar vernarben. Aber auch Narben schmerzen bisweilen. Später habe ich begriffen, wie wichtig es ist, über eigene Verletzungen zu sprechen.
    Prof. Dr. Guido Knopp, Historiker und ZDF-Produzent

Von der Erschaffung der Welt
    Unsere Enkel und die großen Fragen des Lebens
    Woher komme ich, wohin gehe ich?
    Â 
    Â 
    Manchmal fragt mich Leo, wie lange ich wohl noch leben würde. Und er fordert mich auf, so lange durchzuhalten, bis er an der Universität
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