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Wir neuen Großvaeter

Wir neuen Großvaeter

Titel: Wir neuen Großvaeter
Autoren: Rainer Holbe
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Kinderleben«, moniert die Psychotherapeutin Oggi Enderlein. »Unterschwellig vermitteln wir unseren Kindern damit die Botschaft: Die Welt ist gefährlich, das Leben ist
gefährlich, fremde Menschen sind gefährlich, du bist unfähig, hüte dich vor eigenständigem Tun und bleibe da, wo ich dich hinstelle!« ( Frankfurter Rundschau vom 11.8.2001)
    Die Mehrzahl der Eltern und Erzieher gehen davon aus, dass es das Natürlichste von der Welt sei, dass ein Mensch von acht, zehn oder zwölf Jahren ohne Probleme stundenlang stillsitzen und sich auf geistige Dinge konzentrieren kann, die sich Erwachsene ausgedacht haben.
    Der entwicklungsbedingte Drang unserer Kinder nach Bewegung und selbstbestimmten Aktivitäten wird von Erwachsenen zunehmend ignoriert.
    Das Resultat: Immer mehr Kinder sind unkonzentriert, springen über Tische und Bänke, fallen Lehrern und Eltern auf die Nerven und stellen Therapeuten vor unlösbare Aufgaben.
    Â 
    Unsere Töchter Julia und Miriam wurden 1969 und 1972 geboren, zu einer Zeit, als ihre Eltern beeinflusst waren von A.S. Neills Ideen zu Theorie und Praxis der antiautoritären Erziehung . Wir versuchten, das »Beispiel Summerhill« in der Familie umzusetzen. Neill hatte in dieser von ihm gegründeten Schule in dem kleinen englischen Dorf Leiston versucht, Freiheit und Menschlichkeit zu praktizieren, ohne jede Anwendung von Zwängen.
    Â»Im Vergleich zu den viel größeren Fragen nach Erfüllung des Lebens, dem inneren Glück des Menschen, sind Schulfächer bedeutungslos«, meinte Neill. »Freie Kinder lassen sich nicht beeinflussen. Sie haben keine Angst. Und das ist das Beste, was man einem Kind wünschen kann.«
    Auch aus heutiger Sicht habe ich dagegen nichts einzuwenden. Damals aber stürzte sich die konservative Mehrheit in Europa auf Neills revolutionäre Thesen. Der Untergang des Abendlandes schien beschlossene Sache, obwohl die Töne aus Summerhill durchaus versöhnlich klangen: »Ein Kind hat nicht das Recht, einem Erwachsenen lästig zu fallen oder ihn unter Druck zu setzen, nur weil es ein Kind ist.« Als dreißig Jahre später das Magazin STERN Kinder prominenter 68er-Eltern nach ihren Erfahrungen befragte, bekannten die meisten auch nachträglich ihre Sympathie für die von Neill postulierte Form von Nicht-Erziehung.
    Damals wie heute wissen wir, dass Vater und Mutter – und natürlich auch präsente Großeltern – tief im Kern der kindlichen Persönlichkeit verankert sind. Deshalb wollen Kinder horchen, was diese für sie wichtigen Persönlichkeiten zu sagen haben. Und sie wollen auch ge-horchen.
    Â»In ihrem Spiegel entfalten sie ein Bewusstsein ihrer Selbst«, meint der Kinder – und Familientherapeut Wolfgang Bergmann ( Frankfurter Rundschau – Nr. 294/2010). »Wer diesen Spiegel verdunkelt, erzeugt Wut und seelische Leere, Unruhe und ein Gefühl davon, in dieser Welt nicht zu Hause zu sein.«
    Bei den von mir organisierten Managerseminaren in der Bretagne stellten mitreisende Personalexperten den Teilnehmern einfache Fragen: Was können wir für dich tun? Welche Begabungen, Kompetenzen und Fähigkeiten können wir von dir abrufen? Wo sind deine ganz persönlichen Grenzen, die es zu respektieren gilt? Welche Freiheiten brauchst du? Welche sozialen Kontakte bringen dich weiter?
    Nach dem Seminar setzten die verschiedenen Unternehmen diese persönlichen Dialoge mit ihren Mitarbeitern in regelmäßiger Folge fort. Mit Erfolg. Was hindert uns daran, unseren Kindern und Enkeln nicht die gleichen Fragen zu stellen?

    Neigung zum Grübeln
    Â 
    Ich hätte gerne einen Großvater gehabt und weiß das heute noch viel besser als früher, weil ich seit einigen Jahren miterleben darf, wie sehr unsere Tochter Venla das Zusammensein mit meinem Vater genießt, und wie wichtig er, genau wie meine Mutter, als verlässliche und bedingungslos liebende Bezugsperson ist.
    Meine Großväter habe ich nicht kennengelernt. Der eine – väterlicherseits – starb lange vor meiner Geburt, der andere – mütterlicherseits – kurz bevor ich zur Welt kam. Ich weiß aber, dass beide mir in gewisser Weise immer nah sein werden.
    Denn der eine, väterlicherseits, war weit und breit und über
    Generationen hinweg der Einzige in der Familie, der meine Leidenschaft fürs Fußballspielen geteilt hat; der andere,
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