Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir neuen Großvaeter

Wir neuen Großvaeter

Titel: Wir neuen Großvaeter
Autoren: Rainer Holbe
Vom Netzwerk:
weitgehend ignorante Mittelschicht nur eine Wahnvorstellung ist, aufgeheizt von der Neidgesellschaft. Doch mit der »Mütter-Mafia« dürfte
es sich wie mit der echten Mafia verhalten: Niemand bekennt sich wirklich dazu.
    Michi Herl, Chef des in der Nachbarschaft etablierten Stalburg-Theaters, spricht von einer »Bionade-Bourgeoisie«, deren Kinder er bei den Vorstellungen nicht selten von den Bühnengerüsten pflücken müsse. Die Eltern sprächen selten ein Machtwort. »Wir sagen eindeutig, Kinder brauchen Grenzen, die müssen sie erlernen, und das können sie nur, wenn Erwachsene sie vorleben«, kommentiert Susanne Feuerbach, die Leiterin des Frankfurter Kinderbüros. »Kinder haben das Recht auf gewaltfreie Erziehung, aber niemand hat das Recht, überall und immer zu tun, was ihm gerade einfällt.«
    Meine Enkel haben in ihrem Leben erfahren, dass sich ihnen die Herzen öffnen, wenn sie freundlich und höflich zu ihren Mitmenschen sind.
    Zu den Höhepunkten unseres Zusammenlebens gehören die gemeinsamen Mahlzeiten. Ganz gleich, ob Leo, Max oder Ferdinand – jeder sitzt auf seinem angestammten Platz, und wenn mal die Servietten vergessen wurden, kramen sie danach in der Schrankschublade. Ferdinand spricht noch wenig, aber wenn aus der Küche seiner Großmutter der Duft vom Mittagessen dringt, schnuppert er mit seiner kleinen Nase, und seinen Lippen entfährt ein glücklicher Seufzer: Mmmmmh!
    Als Leo noch ein Kindergarten-Kind war, hatten wir eine feste Verabredung: Jeden Freitag lud ich ihn in mein Lieblingsrestaurant ein. Dann saß er in seinem Babystuhl und wartete auf die Köstlichkeiten, die aufgetischt wurden. Leo probierte alles aus: Ob Jakobsmuscheln oder Zanderfilet, Oliven oder Spargel – nichts wies er zurück. Seine Neugier auf Kulinarisches ist noch immer grenzenlos. Wenn ich mit ihm in der
Sushi-Bar sitze, staunen die erwachsenen Gäste über seinen gesunden Appetit. Und ich über die satte Rechnung.
    Im Restaurant brauchen meine Enkel keinen Zeichenblock und keine Farbstifte zum Malen. Langeweile stellt sich nicht ein, weil uns der Gesprächsstoff nie ausgeht. Klar, dass die Kinder keinen »Micky-Maus-Teller« mit Ketchup-Spaghetti oder »Schnitzel à la Asterix« bestellen. Mit einem derart einfallslosen Angebot beleidigt ein Wirt nicht nur den Geschmack der jungen Gäste, sondern auch den ihrer Eltern. Leo, Ferdinand und Max wählen aus der Menükarte – und bestellt wird jeweils eine halbe Portion.
    Gutes Essen und Trinken ist eine Gabe zivilisatorischer Gesellschaften – sie gehört zum Kulturgut der Menschheit.
    Hamburger aus dem Schnellrestaurant oder Pizza aus der Tiefkühltruhe mögen den Hunger stillen, unsere Sinne aber machen sie taub. Schon der zwei Jahre alte Ferdinand liebt Restaurant-Besuche, und obwohl er – wie bereits angedeutet – noch kaum spricht, weiß er genau, was er essen möchte. Bei meinen Vorschlägen schüttelt er entweder den Kopf oder er nickt begeistert. Nach einer so formulierten Bestellung isst er den gereichten Teller ratzfatz leer, um anschließend auf schweigsame Weise wieder an der Konversation teilzunehmen.
    Â»Die Manieren sind ein gegenwärtiges Phänomen, undeutlich sichtbar, aber nicht aus der Welt und, was noch wichtiger ist, nicht aus der Fantasie geschafft«, schreibt Prinz Asfa-Wossen Asserate in seinem Buch Manieren .

Respekt vor dem Essen
    Auch kleine Kinder können eine Mahlzeit mit all ihren Sinnen genießen
    So wie wir einkaufen, beeinflussen wir die Welt
    Â 
    Â 
    Wenn ich mich an meine Großmutter erinnere, dann stehen vor meinem geistigen Auge stets eine Menge Pfannen, Tiegel und Töpfe auf einem großen Herd. Wann immer ich ihre Küche betrat, stets briet, köchelte und schmurgelte etwas auf dem mit Holzscheiten beheizten Ofen. Wohl dem, der eine böhmische Großmutter hatte, die – so wurde mir oft erzählt – als junge Frau auf dem Schloss des Grafen Franz Wenzel von Clary das Kochen erlernt hat. Ich habe nie nachgeforscht, ob diese Geschichte stimmt. Für mich waren das Szegediner Gulasch mit Semmelknödeln, Faschiertes oder die mit Himbeermarmelade gefüllten Powidl-Liwanzen Beweis genug, dass meine Großmutter eine Königin unter den Köchinnen ihrer Epoche gewesen sein muss. Nicht vergessen darf ich in diesem Zusammenhang den Hasenbraten meiner geliebten Tante
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher