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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben
Autoren: K Hartmann
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daran, Armut zu erhalten. Völlig unbegreiflich allerdings ist, dass die Mittelschicht, die selbst vom Abstieg bedroht ist, sich mit der Elite identifiziert. In ihrem Buch Hurra, wir dürfen zahlen spricht Ulrike Herrmann, Wirtschaftsre dakteurin der taz , vom »Selbstbetrug der Mittelschicht«. Denn statt ein System zu hinterfragen, das die Reichen immer reicher macht, statt Abgaben von Wohlhabenden zu fordern, solidarisiert sich die Mittelschicht lieber mit der herrschenden Klasse der Geldelite . Damit arbeitet die Mittelschicht aber nicht an ihrer Rettung, sondern am eigenen Abstieg, denn das soziale Stockholmsyndrom und das Einverständnis darüber, dass Teilhabe nur an die ökonomische Verwertbarkeit des Einzelnen gekoppelt ist, legitimiert sämtliche politischen Entscheidungen zugunsten der Wirtschaftselite, während sie der Allgemeinheit nur schaden. Mit anderen Worten: Es wird weiter von unten nach oben verteilt.
    Dass die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden: eine Binse, gewiss. In diesem Buch soll es aber nicht allein darum gehen, Ungerechtigkeiten anzuprangern. Es wäre zu einfach, schlicht politische Reformen zu fordern – denn in einem System, das darauf angelegt ist, den Reichen zu dienen, bedeuten Reformen allenfalls die Verhinderung von Rückschritten. Auch möchte ich nicht einfach mehr Solidarität fordern und an das soziale Gewissen appellieren – wir sind ja nicht auf dem Weltkirchentag. Ich möchte vielmehr zeigen, mit welchen menschenverachtenden Strategien die Elite ihren Bestand sichert und uns alle damit enteignet. Wer mit Armut reich wird und warum die Politik nicht die Armut, sondern die Armen bekämpft. Warum Reiche keine Wohltäter sind, wenn sie großzügig spenden und Konzerne mit »sozialem Unternehmertum« und »Social Business« die Strukturen der Armut nicht ändern, sondern zementieren. Hinter der scheinbar rationalen Ökonomisierung von Armut und Gesellschaft steckt nämlich nichts anderes als eine gefährliche Ideologie der Un gleichwertigkeit, die zunehmend Anerkennung findet. Eine immer größer werdende Zahl von Menschen abzuwerten, sofern sie keinen geldwerten Nutzen haben, bedeutet nichts anderes als: Es gibt zu viele von den Falschen. In Thilo Sarrazins Buch Deutschland schafft sich ab verdichtet sich diese vernichtende Idee zum ökonomischen Rassismus. Verstörend ist, dass die Ergebnisse der »Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit« von 2010 bereits vorlagen, bevor Sarrazins krudes Hetzwerk über Nacht auf Platz eins der Bestsellerlisten landet, als es noch keine aufgeregte Debatte über »Denkverbote« und unnütze Menschen gab. Die Ergebnisse der Langzeitstudie 2011 belegen, dass selbst Rassismus und die Abwertung von Obdachlosen signifikant angestiegen sind. Ungleichheit ist eine schwerwiegende Gefahr für die Demokratie. Ungleichwertigkeit eine für Sicherheit, Freiheit und Wohlergehen.
    »There is no alternative« – wir dürfen das ewige Mantra, mit dem die Wirtschaftsmächtigen all unsere Ängs te und Sorgen, unsere Ansprüche auf unseren gerechten Anteil wegwischen, nicht länger glauben. Die Fragen, was Gerechtigkeit ist, in welcher Gesellschaft, in welcher Welt wir alle zusammen leben wollen: wir sind es, die darauf Antworten finden müssen. Denn die Elite wird diese Fragen niemals ernsthaft stellen.

» Zwei Arten von Lastwagen fahren Tag für Tag von den Fabrikhöfen – die einen steuern die Lagerhallen und Kaufhäuser an, die anderen die Mülldeponien.«
    Zygmunt Bauman,
»Verworfenes Leben. Die Ausgegrenzten der Moderne« 46
    2. »… dann sollen sie doch Kuchen essen!«
    Überschuss für die Überflüssigen: Wie die Tafeln arbeiten und was sie bewirken
    Wenn Elisabeth Müller * montags einkaufen geht, ignoriert sie den nächstgelegenen Supermarkt. Er gehört schon längst nicht mehr zu ihrer Welt, obwohl er sich im Erdgeschoss ihres Wohn hauses befindet. Mit einem ratternden Trolley, einer Menge alter Plastiktüten, einem großen Fahrradanhänger und drei Kindern überquert sie die Kreuzung an einer Ausfallstraße im Münchner Osten. Dann verschwindet sie in einer Einfahrt, die sich inmitten einer Hecke auftut, die den Hof einer trostlosen evangelischen Betonkirche säumt.
    Am Rand ist eine lange Reihe von Biertischen aufgebaut. Darauf stehen grüne Kisten mit Obst, Gemüse, Salat, Babynahrung, Fertignudelgerichten, Dosensuppen und Süßigkeiten. Vor einem offenen Lieferwagen stapeln sich Kisten mit Brot und Gebäck, auf dem Boden
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