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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben
Autoren: K Hartmann
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soziale Beziehungen. Wenn schwache Gruppen wie Behinderte, Migranten und Lang zeitarbeitslose nach diesen Maßstäben beurteilt werden, geraten sie automatisch in den Fokus der Abwertung.«
    Entsprechend finden 20 Prozent der Deutschen: »Menschen, die wenig nützlich sind, kann sich keine Gesellschaft leisten.« Ebenfalls 20 Prozent sind der Meinung, dass man es sich in Zeiten der Wirtschaftskrise auch nicht mehr leisten könne, Minderheiten zu achten oder zu schützen. 33 Prozent der Deutschen finden: »In Zeiten der Wirtschaftskrise können wir es uns nicht mehr leisten, allen Menschen gleiche Rechte zu garantieren.« Das ist das beunruhigende Ergebnis der Langzeitstudie Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit aus dem Jahr 2010. 41 Nun ist Häme gegen sozial Schwache kein gänzlich neues Phänomen. Die Bild -Zeitung macht seit Jahren mit der Denunzierung von »Sozialschmarotzern« wie »Florida-Rolf«, »Karibik-Klaus« und Arno Dübel, dem »frechsten Arbeitslosen Deutschlands« Auflage. Neu ist aber, dass diese Ressentiments nicht mehr nur von derartigen Krachmedien, notorischen Provokateuren wie Guido Westerwelle, Rechtspopulisten wie Thilo Sarrazin und an Stammtischen formuliert und bedient werden, sondern von Besserverdienenden und der gebildeten Mittelschicht. Das Erstaunliche daran ist, dass sich die Mehrheit der Deutschen völlig im Klaren darüber ist, dass die soziale Spaltung wächst: 63 Prozent der Deutschen machen die gesellschaftlichen Veränderungen Angst. 46 Prozent empfinden ihr Leben als ständigen Kampf. 59 Prozent fürchten, sich finanziell einschränken zu müssen, 49 Prozent, dass sie ihren Lebensstandard nicht halten können. 71 Prozent sagen, dass die Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet. 61 Prozent finden, dass es keine Mitte mehr gibt, sondern nur noch oben und unten. 51 Prozent sagen, dass ihnen die Ellenbogen mentalität in der Gesellschaft schwer zu schaffen macht. 42
    Seit 2000 ist der Anteil der Deutschen an der Mittelschicht von 66 auf 60 Prozent gesunken; knapp ein Viertel der Bundesbürger gehört unteren Einkommensschichten an. Je kleiner die gesellschaftlichen Unterschiede und je größer die Wahrscheinlichkeit des Abstiegs, desto mehr grenzen sich Menschen nach unten ab. »Die Menschen nehmen diese Spaltung wahr – das schützt aber nicht davor, gleichzeitig andere abzuwerten. Das ist einer der ganz schwierigen Punkte: dass diese Sensibilität nicht mit Empathie gekoppelt ist. Die ökonomische Logik ist hammerhart. Wir haben auf der einen Seite die aktuelle Politik, die auf eine Umverteilung von unten nach oben ausgerichtet ist. Und auf der anderen Seite eine rohe Bürgerlichkeit, die auch keine Rücksicht mehr nimmt, weil vor dem Hintergrund der verschiedenen, völlig undurchschaubaren Krisen nur noch die Formel gilt: rette sich, wer kann«, sagt Heitmeyer.
    Soziales Stockholmsyndrom und die Folgen
    Das gilt offenbar vor allem für die Wohlhabenden. Das verstörende Ergebnis der Studie 2010: Ausgerechnet bei den Krisengewinnern steigt der Anteil derjenigen, die glauben, weniger als ihren gerechten Anteil zu bekommen. Besserverdienende werten Langzeitarbeitslose sogar noch stärker ab, als dies Angehörige unterer Einkommensschichten tun. 43 Übersetzt bedeutet dieser Unmut allerdings nur, dass die Elite an ihren Etabliertenvorrechten festhält. Dass Reiche glauben, sie wür den von den Armen übervorteilt, ist schon eine ganz erstaunliche Verdrehung der Tatsachen.
    Nur um nochmals die Zahlen zu vergegenwärtigen: In Deutschland besaß 2007 das reichste Prozent der Bürger 23 Prozent des gesamten Vermögens, das reichste Zehntel 61 Prozent. Zwei Drittel der Bevölkerung besitzen fast nichts, die unteren 70 Prozent weniger als 9 Prozent. K napp ein Vier tel der Deutschen gehört den untersten Einkommensschichten an. Weltweit fällt die Verteilung noch drastischer aus: 2 Prozent der weltweiten Privathaushalte besitzen mehr als die Hälfte des Geld- und Privatvermögens der Welt; den reichsten 10 Prozent gehören 85 Prozent. 44 »Ohne den Reichtum existiert keine Armut und ohne die Armut kein Reichtum. Armut und Reichtum gehören ebenso zusammen wie Schwarz und Weiß, wie Licht und Schat ten, wie Tag und Nacht«, schreibt Christoph Butterwegge. 45 Gewinnmaximierung der einen und Verarmung der anderen gehen Hand in Hand. Schon klar, dass die Wohlhabenden kein gesteigertes Interesse daran haben, dass die Politik sich zugunsten der Schwachen ändert . Sie haben ein Interesse
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