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Wir in drei Worten

Wir in drei Worten

Titel: Wir in drei Worten
Autoren: Mhairi McFarlane
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lachte lauter.
    »Ich heiße Ben. Wir sehen uns dann morgen.«
    Wie ein Verkehrspolizist winkte mich Ben mit einer Hand weiter, während er mit der anderen die nächste Person gespielt gebieterisch aufforderte, zu ihm vorzutreten.
    Als ich einen Bogen um den Rest der Schlange machte, fragte ich mich, ob das wortgewandte Mädchen im Zimmer neben meinem zu vornehm war, um sich gemeinsam mit mir ein bodenständiges Frühstück zu gönnen. Aus einem Impuls heraus drehte ich mich um und warf einen Blick auf Ben. Er schaute mir nach.

[home]
    4
    M anche Leute stellen sich am Arbeitsplatz eine Ansammlung gerahmter Familienfotos auf den Schreibtisch, neben den Becher mit diesen neumodischen Stiften mit Federbüscheln am Ende und der Kaffeetasse mit ihrem Namen darauf. Von Zeit zu Zeit weinen sie auf dem Klo und vertrauen sich einander an, und am nächsten Morgen sind die persönlichen Geschichten im ganzen Büro bekannt, noch bevor die zweite Kaffeekanne gefüllt ist. Wörter wie »Fibrom«, »Schmerzmittel Tramadol« oder Sätze wie »Ich habe ihn dabei erwischt, wie er eines meiner Kleider anprobiert hat« werden ausgetauscht, weil man offen und ehrlich miteinander umgehen will.
    Mein Arbeitsplatz ist ganz anders. Im Strafgericht Manchester sieht man die Leute gezielt und entschlossen durch die Gänge laufen, Roben rascheln und wichtige Informationen werden flüsternd weitergegeben. Es herrscht eine eindeutig maskuline Atmosphäre – sie ermutigt nicht dazu, Vertraulichkeiten auszutauschen, die nichts mit aktuellen beruflichen Belangen zu tun haben. Daher habe ich die Indizien meiner inneren Turbulenzen mit einer Extraschicht Make-up überdeckt und ziehe mit gestrafften Schultern in den Kampf, wobei ich mir selbst zu dem hauchdünnen Anstrich von kompetentem und sicherem Auftreten gratuliere.
    Ich hole mir gerade aus einem der Automaten im Gerichtsgebäude den berühmten Instantkaffee mit Dung-Aroma in einem Plastikbecher, der so dünn ist, dass man sich an der heißen Flüssigkeit die Fingerspitzen verbrennt, als ich plötzlich höre: »Das Wochenende muss ja großartig gewesen sein, was, Woodford? Du siehst total geschafft aus!«
    Ahhh, Gretton. Ich hätte mir denken können, dass er meine Seifenblase platzen lassen würde.
    Pete Gretton ist ein Freiberufler, ein freier Korrespondent für alle möglichen Agenturen, ohne sich an eine davon gebunden zu fühlen. Er durchforstet die Listen, sucht sich die unerfreulichsten oder lächerlichsten Fälle aus und verkauft den niedrigsten gemeinsamen Nenner an den höchsten Bieter, wobei er mir oft nachstellt und jegliche Hoffnung auf einen Exklusivbericht zunichtemacht. Verbrechen und Elend sind sein Broterwerb. Fairerweise muss ich zugeben, dass das auf alle Beschäftigten in diesem Gebäude zutrifft, aber die meisten von uns besitzen den Anstand, nicht darin zu schwelgen. Gretton hingegen hat sich noch nie mit einem grausigen Mehrfachmord beschäftigt, von dem er nicht begeistert gewesen wäre.
    Ich drehe mich um und werfe ihm einen angemessen lustlosen Blick zu.
    »Guten Morgen, Pete«, sage ich kurz angebunden.
    Er ist sehr bleich und wirkt so, als wäre Tageslicht ein Schock für ihn. Irgendwie erinnert er mich immer an den gespenstischen Fisch mit rosa Kiemen, den mein Dad im schwarzen Schlamm am Grund des Gartenteichs entdeckte. Gretton hat sich evolutionär der Umgebung im Gerichtsgebäude angepasst, ernährt sich ausschließlich von Kaffee, Zigaretten und in Zellophan gewickelten Pasteten und braucht kein vom Sonnenlicht erzeugtes Vitamin D.
    »War nur ein Scherz, Schätzchen. Du bist immer noch die schönste Frau in diesem Gebäude.«
    Nach einer Unterhaltung mit Gretton sehnt man sich danach, sich mit einer harten Wurzelbürste unter kochend heißem Wasser abzuschrubben.
    »Was war los?«, fährt er fort. »Zu viel billiger Wein? Hat dein Freund dich zu hart rangenommen?« Er zwinkert auf eine Weise, bei der sich mir der Magen umdreht.
    Ich trinke einen großen Schluck von dem Kaffee mit dem frischen Röstaroma von Bauernhof und Landwirtschaft. »Ich habe mich letzten Monat von meinem Verlobten getrennt.«
    Seine kleinen runden Triefaugen richten sich auf mich. Er wartet auf eine Pointe, und als keine kommt, sagt er: »Ach du meine Güte, tut mir leid, das zu hören.«
    »Danke.«
    Ich habe keine Ahnung, ob Gretton ein Privatleben im konventionellen Sinn hat oder ob ihm um siebzehn Uhr dreißig ein Schweif wächst und er sich, gehüllt in eine Wolke knallgrüner
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