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Wir in drei Worten

Wir in drei Worten

Titel: Wir in drei Worten
Autoren: Mhairi McFarlane
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nach durchaus sehen lassen, aber solche Blicke hatte man mir noch nicht oft zugeworfen. Es war beinahe so, als hätte jemand den Einsatz für die Musik gegeben, mein Haar aufgelockert, mich von oben beleuchtet und gerufen: »Achtung, Aufnahme!«
    Ben war überhaupt nicht mein Typ. Ein bisschen zu dünn, zu augenfällig mit diesem braunen Rehblick und dem kantigen Kinn, ein bisschen spießig, wie Rhys sagen würde. (Er war vor kurzem in mein Leben getreten und hatte seine klar umrissene Weltanschauung mitgebracht, die ich nach und nach übernahm.) Ben trug Sportklamotten, und soweit ich aus der oberen Körperhälfte schließen konnte, trieb er darin tatsächlich Sport. Für mich als Achtzehnjährige mussten attraktive Männer Leadgitarre spielen, nicht Fußball. Sie waren abgerissen und finster, hatten Bartstoppeln und – das war ein neuer Zusatz nach entsprechender Feldstudie – Brusthaare, in denen sich eine Wüstenrennmaus verstecken konnte. Trotzdem war ich aufgeschlossen genug, um anzuerkennen, dass Ben dem Typ vieler Mädchen entsprach, und deshalb schmeichelte mir seine Aufmerksamkeit. Die erdrückenden Wolken meines Katers lösten sich langsam auf.
    Ben sagte: »Hallo.«
    »Hallo.«
    Ein kurzer Moment verstrich, bevor wir uns daran erinnerten, warum wir hier waren.
    »Name?«, fragte Ben.
    »Rachel Woodford.«
    »Woodford … W …« Er begann, einige Schachteln mit Karten zu durchforsten. »Hier haben wir es.«
    Er zog eine rechteckige Karte aus Pappe hervor, auf der der Name unseres Studentenwohnheims stand. Daran war ein Foto befestigt. Ich hatte ganz vergessen, dass ich eine Handvoll wenig schmeichelhafter Passfotos aus einem Fotoautomaten im Einkaufszentrum eingeschickt hatte. Aufgenommen an einem wirklich miesen Tag in Meadowhall, kurz vor meiner Periode. Mein Gesicht sah aus, als wäre ich bei meiner eigenen Autopsie aufgewacht. Ich hätte wissen müssen, dass mich diese Bilder heimsuchen würden.
    »Lach nicht über das Bild«, sagte ich hastig, was nicht gerade zielführend war.
    Ben warf einen Blick darauf. »Da habe ich heute schon Schlimmeres gesehen.« Er spannte meine Karte in die Maschine ein, zog dann die in Plastik eingeschweißte Ausgabe heraus und betrachtete sie noch einmal.
    »Ich weiß, das Bild ist grausig«, sagte ich und streckte die Hand aus. »Ich sehe aus, als würde ich eine Drachenfrucht herauspressen.«
    »Ich weiß nicht, was eine Drachenfrucht ist. Wahrscheinlich eine Frucht, nehm ich an.«
    »Sie ist stachelig.«
    »Ah, okay. Ich verstehe. Das sticht dann wohl ein wenig.«
    Na, das war ja super gelaufen. Verführungsregel Nr.  101 :
Bring den attraktiven jungen Mann dazu, sich vorzustellen, wie du dich auf der Toilette abplagst.
    Das stammte geradewegs aus dem Katalog meiner besten Werke. Rachel ganz unverfälscht. Das Beste von Rachel. Einfach nur Rachel. Wenn ich unter Zugzwang stehe, verhält sich der für die Sprache zuständige Bereich meines Gehirns so unberechenbar wie ein einarmiger Bandit. Ich werfe das Ding an und warte gespannt, bis eine x-beliebige Wortkombination hervorsprudelt.
    Ben grinste mich an und begann dann zu lachen. Ich erwiderte sein Lächeln.
    Er hielt den Ausweis außerhalb meiner Reichweite in der Hand. »Studierst du auch Englisch?«
    »Ja.«
    »Ich auch. Ich habe keine Ahnung, wo ich morgen hinmuss. Weißt du es?«
    Wir verabredeten, dass er mich am nächsten Morgen vor meinem Zimmer abholen würde, damit wir gemeinsam den Block für Geisteswissenschaften erkunden konnten. Er zog einen Stift hervor, und ich kritzelte meine Zimmernummer auf einen feuchten Bierdeckel, den Gegenstand, der am schnellsten zur Hand war. Ich wünschte, ich hätte mir am Abend zuvor nicht jeden Fingernagel in einer anderen Farbe lackiert. Bei Tageslicht sah das ziemlich albern aus. Ich malte feinsäuberlich »Rachel« in Großbuchstaben darunter, als würde ich in der Grundschule ein Schildchen für den Kleiderhaken beschriften.
    »Was das Foto betrifft«, sagte er, während er den Bierdeckel entgegennahm. »Du siehst gut aus, aber beim nächsten Mal solltest du den Sitz höher stellen. So erinnert es ein wenig an den kleinen Komiker Ronnie Corbett.«
    Ich holte den Ausweis noch einmal hervor und betrachtete ihn. Über meinem strubbeligen Kopf befand sich mindestens ein Meter weiße Fläche.
    Ich errötete und begann zu lachen.
    »Du musst ihn drehen«, formte Ben mit den Lippen und schraubte einen imaginären Hocker nach oben.
    Meine Röte vertiefte sich, und ich
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