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Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)

Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)

Titel: Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
Autoren: Catharina Ingelman-Sundberg
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Geschäftsleitung.
    »Ich wette mit euch, dass es im Gefängnis hübsch geschmückte Weihnachtsbäume gibt«, meinte Märtha.
    »Nicht nur das. Sie bekommen sogar Freigang, um sich die Weihnachtsdekoration in der Stadt anzuschauen«, sagte Snille und stand auf. Kurz darauf war er zurück mit einem Stern, den er aus silberfarbenen Klebestreifen hergestellt hatte.
    »Besser als nichts«, erklärte er, verstärkte ihn mit Pfeifenputzern und befestigte ihn ganz oben an der Tanne. Alle klatschten, und Märtha lächelte. Snille war schon bald achtzig, doch der kleine Junge steckte noch immer in ihm.
    »Ein Weihnachtsstern kann doch nicht die Welt kosten?«, warf Anna-Greta ein.
    »Geizige Menschen gönnen anderen eben gar nichts. Sie sparen. Und es wird nicht besser werden, sondern schlechter. Snille und ich haben gestern mit der Heimleitung gesprochen und ihnen ein paar Vorschläge für Verbesserungen gemacht, doch sie haben gar nicht zugehört. Wenn wir etwas an unserem Leben hier ändern wollen, müssen wir es selbst in die Hand nehmen«, sagte Märtha und sprang so schnell auf, dass ihr Stuhl umkippte. »Snille und ich haben beschlossen, an unserer Situation etwas zu verändern. Und was ist mit euch, macht ihr mit?« (Märtha benutzte absichtlich das Wort »verändern« anstatt »einen Aufstand machen«. Sie wollte ja niemanden gleich am Anfang vergraulen.)
    »Aber sicher«, antwortete Snille und stand auf.
    »Ja, warum treffen wir uns nicht in deinem Zimmer auf ein Gläschen Moltebeerenlikör?«, schlug Stina vor, die sich erkältet hatte und mit etwas Leckerem liebäugelte.
    »Moltebeerenlikör? Ja, dann läuft der Motor besser«, murmelte Kratze.
    Kurz darauf rückten die fünf bei Märtha ein und machten sich auf dem Sofa breit, bis auf Kratze, der den Sessel vorzog. Am Tag zuvor hatte er sich aus Versehen auf Märthas halbfertiges Strickzeug gesetzt, und das wollte er nicht noch einmal riskieren. Als Märtha den Likör hervorgeholt und die Gläser gefüllt hatte, kam eine angeregte Diskussion in Gang. Schließlich schlug sie mit dem Stock auf den Couchtisch.
    »Hört mal her. Die Dinge verändern sich nicht von allein, wir müssen schon etwas dafür tun«, erklärte sie. »Um das zu schaffen, sollten wir unsere Kondition verbessern. Hier ist der Schlüssel für den Fitnessraum des Personals. Abends schleichen wir runter und trainieren.« Triumphierend hielt sie den Generalschlüssel hoch.
    »Ja aber, wie soll das gehen?«, wandte Stina ein, die lieber hungerte, als sich sportlich zu betätigen. »Die erwischen uns doch.«
    »Wenn wir hinterher saubermachen, sieht niemand, dass wir dort waren«, antwortete Märtha.
    »Das hast du vor dem Ausflug in die Küche auch gesagt. Ich merke jetzt schon, wie meine Fingernägel wieder brüchig werden.«
    »Und ich habe gedacht, im Altersheim ist es ruhig und gemütlich«, stöhnte Kratze. Märtha ignorierte seinen Kommentar und tauschte schnell mit Snille ein paar Blicke.
    »Nach ein paar Wochen Training haben wir jede Menge Energie und gute Laune«, flunkerte sie. Denn noch konnte sie den anderen nicht frei heraus sagen, was sie eigentlich vorhatte. Dass man als Verbrecher auch stark sein muss, um in der Lage zu sein, ein Verbrechen zu begehen. Denn seit gestern Abend wusste sie nämlich genau, was sie vorhatte. Am Tag zuvor war sie vor dem Fernseher eingenickt, und als sie die Augen wieder aufgeschlagen hatte, lief gerade eine Dokumentation über eine Strafanstalt. Mit einem Mal war sie hellwach gewesen, hatte sich nach der Fernbedienung gereckt und auf »Aufnahme« gedrückt. Sie staunte immer mehr, als der Reporter die Werkstatt und die Wäscherei zeigte und die Insassen ihre Räume vorführten. Die Gefangenen versammelten sich im Speisesaal und hatten die Wahl zwischen Fisch, Fleisch oder vegetarischem Essen. Es gab sogar Pommes frites. Und zu allem wurden verschiedene Salate und Obst serviert. Da war Märtha sofort zu Snille hinübergelaufen. Obwohl es schon spät gewesen war, hatten sie sich die DVD dann noch einmal gemeinsam angesehen und bis Mitternacht gesessen und geredet. Märtha hob die Stimme.
    »Wir wollen, dass unser Leben besser wird, oder? Dann müssen wir Sport machen. Es gibt jetzt kein später , das hatten wir schon.«
    Märtha wusste, wie wichtig es war, in Form zu bleiben. Als ihre Familie in den fünfziger Jahren nach Stockholm umgezogen war, hatte sie sich den Turnmädchen angeschlossen. Jahrelang hatte sie Ausdauer, Koordinationsvermögen und Muskeln
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