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Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)

Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)

Titel: Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
Autoren: Catharina Ingelman-Sundberg
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bitte? Du meinst …« Diskret versuchte er, ein auseinandergebautes Grundig-Radio unter den Sessel zu bugsieren, damit sie es möglichst nicht bemerkte.
    »Aber das kann nicht sein.«
    »Richtig. Und das, wo wir uns gerade wehren wollten.«
    Er nahm ihre Hand und streichelte sie sanft.
    »Aber meine Liebe, noch ist es nicht zu spät.«
    Ihre Augen blitzten auf, und ihr Gesichtsausdruck wurde ganz lebendig.
    »Weißt du was, ich habe mir eine Sache durch den Kopf gehen lassen. Im Gefängnis darf man jeden Tag hinaus ins Freie, aber hier kommen wir fast gar nicht mehr aus dem Haus.«
    »Ich weiß ja nicht, ob man dazu sagen kann: ›ins Freie‹?«
    »Die Gefangenen dürfen an die frische Luft, sie bekommen anständig gekochtes, gesundes Essen, und sie können in einer Werkstatt arbeiten. Sie haben es viel besser als wir.«
    »In einer Werkstatt arbeiten?« Snille wurde wach.
    »Verstehst du denn nicht? Ich will jung sterben und das so spät wie möglich – aber ich will leben mit Pauken und Trompeten, und zwar so lange ich kann .« Sie beugte sich zu ihm und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er riss die Augen auf und schüttelte den Kopf. Aber Märtha ließ nicht locker.
    »Snille, ich habe das wirklich bis ins Detail durchdacht …«
    »Na gut, warum eigentlich nicht«, antwortete er schließlich, lehnte sich zurück in seinen Sessel und brach in schallendes Lachen aus.

4
    Ihre Absätze donnerten regelrecht, als Schwester Barbro über den Flur lief. Sie öffnete die Tür zum Lager, holte den Wagen heraus und stellte die Medikamente auf das Tablett. Jeder der zweiundzwanzig Insassen hatte eine eigene Karte, auf der seine Medikation verzeichnet war, und daran musste sie sich halten. Direktor Mattson nahm es damit ganz genau, und die Alten hatten alle ihre ärztlichen Verordnungen. Manche Pillen, und dazu gehörten auch die roten, wurden allerdings jedem Bewohner verabreicht, ebenso die hellblauen, die er erst kürzlich eingeführt hatte. Sie bewirkten, dass die alten Leute den Appetit verloren.
    »Dann essen sie weniger, und wir sparen Lebensmittel«, war sein Kommentar.
    Sie war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte, doch hatte sie es nicht gewagt, ihn darauf anzusprechen, denn sie achtete sehr darauf, sich mit dem Direktor gutzustellen. Schließlich hatte sie in ihrem Leben noch einiges vor. Ihre Mutter war alleinerziehend gewesen und hatte als Hausangestellte im Stadtteil Djurgården gearbeitet. Sie kam also aus sehr einfachen Verhältnissen. Als Barbro ihre Mutter eines Tages begleiten durfte, hatte sie zum ersten Mal schöne Bilder, glänzendes Tafelsilber und Sternparkett gesehen. Die Herrschaften in Pelz und kostbaren Kleidern. Diesen Traum von einem Leben in Wohlstand hatte sie nie vergessen. Auch Direktor Mattson war einer dieser erfolgreichen Menschen. Er war zwar zwanzig Jahre älter und recht korpulent, aber schlagfertig und ein alter Hase im Geschäftsleben. Aber vor allem hatte er Einfluss und Macht, und ihr war klar, dass er ihr Leben ganz schön vorwärtsbringen konnte. Eifrig tat sie alles, was er sagte, wie eine Tochter auf ihren Vater hört, und sie bewunderte ihn. Was machte es schon, dass er ein paar Kilo zu schwer war und ein paar Stunden zu viel arbeitete. Er war reich, und mit seinen tiefbraunen Augen, seinem dunklen Haar und dieser charmanten Art kam er ihr wie ein Italiener vor. Es dauerte nicht lange, da hatte sie sich in ihn verguckt. Er war zwar verheiratet, aber was hatte das schon zu bedeuten. Sie hatte sich die Sache in den Kopf gesetzt, und schon bald waren die beiden ein Paar. Jetzt hatte er ihr einen gemeinsamen Urlaub versprochen.
    Schwester Barbro flitzte über die Flure und verabreichte den alten Leutchen ihre Medizin. Dann stellte sie den Wagen wieder ins Lager und ging zurück ins Büro. Jetzt würde sie die Papierstapel auf ihrem Schreibtisch abarbeiten, damit Katja, die ihre Vertretung übernehmen sollte, Platz zum Arbeiten hatte. Sie setzte sich an den PC und sah auf einmal ganz verträumt aus. Morgen, dachte sie nur, morgen. Dann hätten Ingmar und sie sich endlich ganz.
     
    Am nächsten Tag beobachtete Märtha, wie Schwester Barbro in Direktor Mattsons Auto einstieg. So so. Sie hatte sich ja schon lange gedacht, dass die beiden etwas miteinander hatten. Der Herr Direktor musste zu einer Konferenz und nahm sie mit. Prima. Passte perfekt. Das Auto hatte das Gelände noch nicht verlassen, da war Märtha schon unterwegs und erzählte den anderen von ihrer Erkenntnis
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