Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)

Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)

Titel: Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
Autoren: Catharina Ingelman-Sundberg
Vom Netzwerk:
ehemalige Hutmacherin wollte immer auf dem Laufenden und bloß nicht altmodisch sein. Sie stellte das Glas wieder ab und sah sich um. »Und jetzt, ihr Lieben, lasst uns tanzen!«
    »Dann mach mal«, sagte Snille und legte die Hände auf den Bauch.
    »Aber gerne«, rief Kratze und sprang auf, doch er schwankte so, dass Stina die Tanzschritte selbst steuern musste.
    »Wie viel stolzer der eigene Würfelwurf, als in schwächelnder Flamme verbrannt«, deklamierte sie und breitete die Arme aus. Auch wenn sich Stina ihren Traum, Bibliothekarin zu werden, nie hatte erfüllen können, so war doch Literatur immer ihr großes Hobby geblieben. Was sie von Verner von Heidenstam, Selma Lagerlöf oder Elias Tegnér nicht wusste, war auch nicht wissenswert.
    »Jetzt geht das mit den alten Klassikern wieder los. Hoffentlich liest sie nicht auch noch laut aus der Ilias vor«, murmelte Märtha.
    »Oder aus der Geschichte von Gösta Berling …«, ergänzte Snille.
    »Wie viel schöner der Ton von der Saite, die reißt, als niemals den Bogen gespannt«, fuhr Stina fort.
    »Hm, passt eigentlich perfekt. Könnte unser Slogan werden«, meinte Märtha.
    »Wie? Die Saite, die reißt«, unterbrach sie Kratze. »Nee, lieber ›der Laut von dem Mieder, das reißt, als immer alleine zu Bett‹.«
    Stina erstarrte mitten im Tanz, rot im Gesicht.
    »Kratze! Musst du immer so plump sein! Reiß dich am Riemen!«, rief Anna-Greta und kräuselte die Lippen.
    »Wisst ihr was, jetzt haben wir doch den Bogen gespannt oder?«, fragte Stina. »Ab sofort machen wir mindestens einmal wöchentlich einen Ausflug hierher.« Sie holte sich ihr Glas und hob es in die Luft. »Zum Wohle! Das war nicht das letzte Mal!«
    Sie stießen miteinander an, und so ging es weiter, bis sie langsam nuschelten und ihnen immer wieder die Augen zufielen. Und Märtha fing an, Dialekt zu sprechen, was sie wirklich nur tat, wenn sie hundemüde war. Das war ein Warnzeichen, und sie erkannte die Gefahr.
    »Ihr Lieben, wir sollten jetzt abwaschen und aufräumen, bevor wir nach unten gehen«, sagte sie.
    »Dann mach mal«, antwortete Kratze und schenkte Märtha nach.
    »Nein, wir alle müssen saubermachen und aufräumen, sonst merken sie doch, dass wir hier waren«, sagte Märtha ernsthaft und schob ihr Glas beiseite.
    »Wenn du müde bist, darfst du dich gern an meine Schulter lehnen«, bot Snille an und streichelte liebevoll ihre Wange.
    Märtha wusste nicht, wie ihr geschah, doch mit einem Mal lehnte ihr Kopf an seiner Schulter, und sie war eingeschlafen.
     
    Als Direktor Ingmar Mattson von der Diamant GmbH am nächsten Morgen zur Arbeit kam, drangen aus seinem Büro sonderbare Geräusche. Das tiefe Brummen klang, als wäre eine Horde Bären aus dem Freilichtmuseum Skansen ausgebüchst. Er warf einen Blick in den Raum, sah nichts, aber ihm fiel auf, dass die Küchentür offen stand.
    »Was zum Teufel …«, murmelte er, stolperte über einen Rollator und flog der Länge nach hin. Fluchend stand er wieder auf und staunte über den Anblick, der sich ihm bot. Die Dunstabzugshaube war noch in Betrieb, und rund um den Esstisch schliefen fünf von den alten Leuten in voller Bekleidung. Auf dem Tisch befanden sich Essensreste und leergetrunkene Weingläser, und die Kühlschranktür stand sperrangelweit auf. Direktor Mattson betrachtete die Verwüstung. Die Bewohner dieses Altenheimes waren offensichtlich in einer wesentlich schlechteren Verfassung, als man es ihm gesagt hatte. Er musste Schwester Barbro bitten, die Sache in Ordnung zu bringen.

3
    Die Alarmanlage eines Fahrzeugs hupte draußen auf der Straße, und aus der Ferne summte ein Lüfter. Ein kleiner Lichtstrahl fiel durch das Fenster, und ganz langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Helligkeit. Die Scheiben waren verdreckt und mussten dringend geputzt werden, und die hellen, geblümten Gardinen, die sie vor das Fenster gehängt hatte, um den Raum etwas gemütlicher zu machen, mussten in die Wäsche. Offenbar gab es heutzutage niemanden mehr, der sich um Sauberkeit scherte, und sie selbst schaffte es nicht mehr. Märtha gähnte herzhaft. O je, o je, sie fühlte sich völlig schlapp. Ihre Gedanken waren irgendwie nicht greifbar, wollten nicht richtig Form annehmen. Seit dem Fest hatte sie das Gefühl, als schwirrten in ihrem Kopf kleine Zirruswolken aus Kaugummi herum. Aber du meine Güte, was war das für ein Spaß gewesen! Hätten sie es doch nur geschafft, aufzuräumen und in ihre Zimmer zurückzuschleichen … Ja, und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher