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Winters Herz: Roman (German Edition)

Winters Herz: Roman (German Edition)

Titel: Winters Herz: Roman (German Edition)
Autoren: Alison Littlewood
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ein schlechter Platz zum Anhalten.«
    Cass musste sich beherrschen, um die Frau nicht scharf zu mustern. Sally saß nun auf dem Beifahrersitz. Cass hatte Ben aufs Haar geküsst und ihn nach hinten klettern lassen, wo er zwischen Gepäck eingezwängt hockte. Seinen Platz nahm jetzt der dunkle Regenmantel der Frau ein. Beim Einsteigen hatte Cass gesehen, dass sie Stiefel trug, deren Rand mit Pelz besetzt war. Einer war bis oben hin durchnässt, als sei sie in ein Sumpfloch getreten. Und sie brachte einen Modergeruch mit, der den ganzen Wagen erfüllte.
    »Tut mir leid, wenn ich Ihnen Angst gemacht habe«, sagte Sally. »Ich hatte weiter hinten eine Panne.«
    »Oh«, sagte Cass. »Ich hab kein Auto gesehen.«
    »Es steht in einer Haltebucht.«
    Cass hatte auch keine Haltebucht gesehen, aber das sagte sie nicht. Sie hätte dicht an dem Wagen der Frau vorbeifahren können, ohne ihn zu bemerken. Die erwähnte Haltebucht war vielleicht nur eine Lücke in dem Saum aus Grasbüscheln am Straßenrand, vielleicht noch nicht einmal das.
    »Hier oben funktioniert kein Handy   – ich kann von Glück sagen, dass Sie vorbeigekommen sind. Der Heimweg wäre zu Fuß ziemlich lang geworden.« Sally lachte. »Scharfe Linkskurve voraus.« Sie unterbrach ihr Geplapper immer wieder, um Anweisungen zu erteilen, und Cass fuhr etwas schneller. War es so offensichtlich, dass sie die Straße nicht kannte?
    »Bald kommen S-Kurven«, sagte Sally. »Die führen runter ins Dorf.« Sie drehte sich halb nach hinten um. »Ich hab einen Sohn ungefähr in deinem Alter«, sagte sie zu Ben.
    Er gab keine Antwort. Einige Sekunden später fragte Cass: »Geht er auch auf die Grange School?«
    Sally lächelte. »Sie sind die Lady, die eine Wohnung in der Foxdene Mill gemietet hat, nicht wahr?«
    »Stimmt.« Die Welt ist klein. Die Neuigkeit hatte bereits die Runde gemacht.
    »Ja, Damon besucht die Grange. Alle Kinder aus Darnshaw gehen dorthin. Die Schule ist sehr gut.«
    »Das hab ich gehört«, meinte Cass. »Das ist einer der Gründe dafür, dass ich zurückgekommen bin.«
    »Zurück?«
    »Als Kind hab ich eine Zeit lang hier gelebt«, erklärte Cass.
    »Wie reizend.«
    »Wie ist denn Mrs. Cambrey?«
    »Bitte?«
    »Mrs. Cambrey. Die Rektorin. Am Telefon hat sie sehr nett geklungen.«
    »Sie ist   … ja, sie ist wunderbar.« In Sallys Stimme lag etwas Undefinierbares.
    Cass musterte sie. »Ich hab am Montag einen Termin bei ihr.«
    »Natürlich.« Sallys Stimme klang heiterer. »Nun, sie wird sicher begeistert sein, Sie beide hier zu haben. Ich bin’s jedenfalls. In Darnshaw ist’s sehr still. Wird Zeit, dass wir etwas frisches Blut bekommen.«
    Sie verfielen in Schweigen, während Cass die Kurven bewältigte. Zwischen Steilabfällen auf einer Seite und hohen Stützmauern auf der anderen schlängelte die Straße sich nun tatsächlich bergab. Alles andere blieb im Nebel verborgen   – doch dann plötzlich schoss der Wagen aus den Schwaden hervor, und sie hatten zu allen Seiten freie Sicht. Es war, als träte man aus einerTür nach draußen. Im Rückspiegel sah Cass, dass der Nebel wie eine Wand quer über der Straße lag. Ben verdrehte sich auf dem Rücksitz den Hals, um ihn zu betrachten.
    »Merkwürdig«, sagte Cass. »Der Nebel hat schlagartig aufgehört.«
    Sally sah sich nicht um. »Das passiert manchmal. Er setzt sich auf den Hügeln fest. Kommt man etwas tiefer, ist alles wieder klar. Da, sehen Sie!« Sie deutete nach rechts. Dort stand ein Fasan auf der Stützmauer. Hinter ihm wuchsen orangerote Farne, die vom Regen dunkel waren, und einige schief stehende Krüppelkiefern. Cass glaubte, aus dem Augenwinkel heraus etwas wie einen blassen Lichtschein über Wasser huschen zu sehen, aber dann war dieser Eindruck schon wieder verschwunden.
    Da fiel ihr etwas ein. »Sally«, sagte sie, »Sie kennen doch gewiss die Straße weiter hinten   – wo sie scheinbar durch eine große schüsselförmige Senke führt.«
    Ihre Mitfahrerin schwieg.
    »Dort sind wir   … aufgehalten worden. Es hat ausgesehen, als fuhren wir bergab, aber das stimmte nicht. Wir sind die ganze Zeit bergauf gefahren. Wissen Sie, welche Stelle ich meine?«
    Sally runzelte die Stirn. »Nein, leider nicht. Hab auch nie gehört, dass es hier in der Gegend so was gibt. Wird wohl am Nebel gelegen haben. Der lässt manchmal alles ganz anders aussehen.«
    »Aber es hat wirklich wie eine Senke gewirkt   … doch wir sind zurück gerollt   …«
    »Das war nur der Nebel«, unterbrach Sally
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