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Winters Herz: Roman (German Edition)

Winters Herz: Roman (German Edition)

Titel: Winters Herz: Roman (German Edition)
Autoren: Alison Littlewood
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das nicht prima?«
    »Aber wo sind die Kinder ?« Ben machte ein finsteres Gesicht, kniff die Augen zusammen. In ihnen glitzerte es auf eine Weise, die Cass nicht gefiel. Als sie sich wieder dem Fenster zuwandte, fiel ihr etwas Merkwürdiges auf. Der Parkplatz war völlig leer.
    »Ich will Dad«, sagte Ben.
    »Ben, bitte.«
    »Ich will, dass er zurückkommt   – wie soll er uns jetzt finden? Er weiß überhaupt nicht, wo er suchen soll.« Er verzog weinerlich das Gesicht.
    Cass beugte sich hinunter, legte die Arme um ihren Sohn. Bens ganzer Körper war heiß, und sie legte ihm eine Hand aufdie Stirn, um zu fühlen, ob er Fieber hatte. Er schob ihre Hand nicht weg. »Ich will zu ihm«, wiederholte er.
    »Ja, ich weiß. Tut mir leid, Ben, aber du musst begreifen, dass er nicht zurückkommt.«
    Ben wehrte sich gegen ihre Umarmung, aber sie zog ihn enger an sich. Hielt ihn tröstend fest. »Ich will ihn auch«, flüsterte sie. »Ben, ich will ihn auch. Aber du wirst sehen, wir kommen zurecht.« Sie gab ihn frei. »Wir sind jetzt zu zweit«, sagte sie, »und alles kommt in Ordnung.«

Kapitel 2
    Cass schlug die Augen auf. Um sie herum war alles grau   – und das kam ihr falsch vor. Sie vernahm keinen Laut, und auch das war so nicht richtig, denn sie hatte eben noch etwas gehört. Sie war davon aufgewacht.
    Eine Sekunde lang wurde alles sepiabraun, die Farbe der Wüste. Sie rieb sich die Augen. Sie war mit Pete zusammen gewesen; sie hatte von ihm geträumt.
    Sie hörte ein Geräusch. Kratz, kratz.
    Pete hatte sie in den Armen gehalten. Er hatte sie an sich gedrückt, während das Gebäude erzitterte und abfallender Putz auf ihren Kopf herabregnete, ihr Haar wie Schneeflocken bedeckte.
    Kratz, kratz.
    Cass wälzte sich auf den Rücken, streckte eine Hand aus und berührte die Wand neben ihrem Bett. Sie war rau unter ihren Fingerspitzen. Das Kratzen hörte auf. Stattdessen vernahm sie ein anderes Geräusch, als ob etwas auf kleinen Pfoten davonlief. Sie verzog das Gesicht.
    Als sie sich wieder nach dem leeren Raum umdrehte, sah sie Pete vor sich stehen.
    Sie blinzelte, aber er stand weiter dort, sein blondes Haar im Dunkel blassgrau. Er streckte die Arme aus, und seine Lippen bewegten sich. Sie konnte nicht hören, was er sagte. Während sie ihn beobachtete, öffnete er seine zu Fäusten geballten Hände, in denen blaue Edelsteine lagen. Sie glitzerten, brachten die einzige Farbe in den Raum. Die Steine fielen nacheinander zu Boden, und der Boden verschluckte sie. Alles war lautlos, alles farblos bis auf die Steine in seinen Händen.
    Cass hörte ein Scheppern, das sie aus dem Bett springen ließ. Als sie sich wieder nach Pete umdrehte, war er verschwunden. Sie suchte unwillkürlich die blauen Edelsteine auf dem Teppich, aber dort war nichts.
    Sie schluckte trocken, dann atmete sie tief durch. Sie musste einen klaren Kopf bewahren. Natürlich hatte sie eben von ihrem Mann geträumt. Diese Szene, die sie gesehen zu haben glaubte   – sie war ein Nachbild gewesen, sonst nichts, eine im Halbschlaf gesehene Erinnerung.
    Dann war ein neuer Laut zu hören. Ein trockenes Schleifen, als stapften schwere Stiefel durch Sand.
    Sie schüttelte den Kopf. Das Geräusch blieb, aber es verwandelte sich in etwas, das sie einzuordnen wusste, und Cass begann wieder zu atmen. Kratz, kratz.
    In den Wänden waren Mäuse. Kratz, kratz . Das klang nicht mehr nach Stiefeln im Sand, sondern nach dem Kratzen winziger Pfoten. In einem so alten Gebäude gab es natürlich Mäuse. Das hätte sie sich denken können. Sie würde Fallen oder Gift kaufen müssen. Sie stellte sich vor, wie Ben auf eine Falle stieß und einen kleinen Kadaver mit grauem Fell am Schwanz hochhielt, und verzog das Gesicht.
    Als Cass die Augen verengte, konnte sie rechts vor sich einen dunkleren Fleck erkennen, der die Tür war. Sie ging darauf zu und tastete sich in die Diele hinaus, ohne Licht zu machen. Unter Bens Tür leuchtete ein blasser Schein hervor. Sie ertastete die Klinke und ging hinein.
    Bens Nachtlicht   – ein kleiner blauer Plastikmond   – leuchtete schwach. Es hatte zu den ersten Dingen gehört, die sie ausgepackt hatte. Seit Pete sie zum letzten Mal verlassen hatte, schlief ihr Sohn nicht mehr gern ohne Licht.
    Er hatte sich fest in die Decke gewickelt, ein kompaktes kleines Bündel. Cass beugte sich darüber und sah ihm ins Gesicht   … dann schrak sie zurück. Seine weit offenen Augen starrten zu ihrauf. Sie holte tief Luft, dann wedelte sie mit der
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