Winterliebe
denn der junge Mann ließ erst fünfundvierzig Minuten später wieder von sich hören. "Ich kann den Ersatzschlüssel anfertigen”, sagte er. "Aber Sie müssen sich ein Taxi nehmen und ihn sich holen.”
"Taxi brauchst du keines”, sagte Dr. Emmerson. "Ich fahre mit dir nach Uderns.”
Das seien zwei Stunden Fahrt, eine hinunter ins Tal und eine zurück auf den Berg, sagte die Wirtin. In Wirklichkeit dauerte die ganze Schlüsselaktion jedoch wesentlich länger. Hadubrand Emmerson kehrte mit dem Holländer erst kurz vor zwanzig Uhr nach Gerlos zurück, und jeder sagte, es wäre nun nicht mehr ratsam, noch so weit zu fahren. Aber die van Geests mussten morgen früh in Rotterdam sein, sonst verloren sie einen wichtigen Druckauftrag. Abermaliger Abschied von der Familie Emmerson. Auch die Kinder waren angetreten. Wieder drei Küsse von Meitje. Und dann reisten die Holländer endlich ab.
Hadubrand Emmerson schaute auf seine Armbanduhr. Es war zwanzig Uhr acht. Hadubrand runzelte die Stirn. "Ich möchte nicht mit Piet tauschen. Hat Meitje den Führerschein?”
"Ja, aber sie kann Piet nicht ablösen”, antwortete Laetitia Emmerson.
"Warum nicht?” fragte Hadubrand.
"Sie ist nachtblind.”
Montag meldete sich Piet van Geest zu Mittag aus Rotterdam.
"Seid ihr gut nach Hause gekommen?” fragte Hadubrand Emmerson.
"Ja, wir sind gut gelandet, und ich möchte mich noch einmal ganz herzlich für deine Hilfe bedanken, Hadubrand.”
"Hättest du doch für mich auch getan”, sagte der Arzt.
"Trotzdem. Du hast etwas gut bei mir.”
"Ach, komm. Werdet ihr das Buch drucken?” wollte Hadubrand wissen.
"Ja, und wenn wir den Kunden zufriedenstellen, dürfen wir mit weiteren Aufträgen rechnen.”
"Gratuliere. Ist doch ein erfreulicher Auftakt für dieses Jahr.”
"Ich war gestern nahe daran, durchzudrehen”, gestand Piet van Geest.
"Tatsächlich? Das hat man dir aber nicht angemerkt.”
"So ist das immer bei mir”, sagte der hünenhafte Holländer. "Je mehr ich mich aufrege, desto ruhiger wirke ich - nach außen hin.”
Hadubrand lachte. "Und wie’s drinnen aussieht, geht keinen was an.”
"So ungefähr. Also nochmals vielen Dank und grüß deine Familie von Meitje und mir.” Es klickte in der Leitung. Piet van Geest hatte aufgelegt.
Danach näherte sich auch für die Emmersons das Urlaubsende mit Riesenschritten. Die schönen Stunden vergingen viel zu rasch, der Tag der Abreise rückte rasend schnell näher.
"Ich freue mich schon auf zu Hause”, sagte Leo.
Lottchen zog eine Schnute. "Ich nicht.”
"Warum nicht?” fragte Leo. Sie saßen allein im Aufenthaltsraum des Hotels und warteten auf den Rest der Familie.
"Weil ich dann wieder in die blöde Schule muss”, antwortete Lottchen ohne große Begeisterung.
"Denkst du, ich nicht?”
"Wieso freust dich auf sowas?” fragte Lottchen verständnislos.
"Ich freue mich doch nicht auf die Schule, du doofe Nuss. Auf meine Freunde freue ich mich.”
Über Lottchens Nasenwurzel entstand eine Unmutsfalte. "Wenn du noch mal doofe Nuss zu mir sagst, erzähle ich Mutti und Vati, dass du geraucht hast.”
"Hab’ ich ja gar nicht.”
"Ich habe die Zigarre in deiner Hand gesehen”, sagte Lottchen. "Denkst du, ich bin blind?”
"Ein Hotelgast hat mich gebeten, die Zigarre kurz für ihn zu halten.”
"Ich glaube dir kein Wort.”
Leo zuckte gleichgültig die Achseln. "Du kannst ihn fragen.”
Lottchen schüttelte ihre Locken in den Nacken. "Ich mache mich doch nicht lächerlich.”
"Das bist du sowieso”,
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