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Winterkill

Winterkill

Titel: Winterkill
Autoren: Ueberreuter
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vielen Dank.«
    »Ethan«, antwortete er. »Meine Eltern haben mich nach einem Westernhelden benannt. Einem Typ, den John Wayne gespielt hat. ›The Searchers‹ … war ein berühmter Western vor tausend Jahren. Hast du den Film mal gesehen?«
    »Einen Western?« Sie musste unwillkürlich lachen. »Ich bin Indianerin. In den alten Western sind wir immer die Bösen, so was schaue ich mir nicht an.«
    »Ich wollte dich nicht kränken.«
    »Tust du nicht. Du kannst ja nichts dafür, dass Hollywood was gegen uns hatte.« Sie merkte gar nicht, dass ihre Hände immer noch in seinen lagen, und blickte zu Starbucks hinüber. Bis Carol kam, vergingen sicher noch zehn Minuten, genug Zeit, um sich mit einem Kaffee bei dem jungen Mann zu bedanken. »Wie wär’s mit einem Caffè Latte?«
    »Gute Idee. Ich lade dich ein.«
    »Für mich mit reichlich Vanille und Milch«, bat sie. »Du weißt ja, was man uns Indianern nachsagt … dass wir alle schlechten Angewohnheiten des weißen Mannes kritiklos übernehmen.«
    Sie warteten, bis die Ampel auf Grün sprang, und überquerten die Straße. Sarah fühlte sich seltsam beschwingt, wie ein Highschool-Girl, das zum ersten Mal verliebt war. Auch wenn es abgedroschen klang, sie hatte das Gefühl, Ethan schon lange zu kennen.
    Vergessen das heisere Flüstern des Wendigo, wie ein böser Traum ihre Flucht vor der krächzenden Stimme des Ungeheuers, das mit dem eisigen Wind zu ihr gekommenwar. Ein Albtraum, weiter nichts, die anstrengende Arbeit im Museum, das furchterregende Bild, das Sophie ihr gezeigt hatte. Es gab keinen Wendigo, sie hatte sich den ganzen Hokuspokus nur eingebildet und für einen Augenblick die Kontrolle über sich verloren. So was passierte, wenn man nur noch arbeitete. Die Gefahr war vorüber, selbst das Schneetreiben schien nachgelassen zu haben und es war nicht mehr so kalt.
    Auf halbem Weg über die Michigan Avenue blieb Ethan plötzlich stehen. Sie blickte ihn erstaunt an und bemerkte, dass er zitterte. Aus seinem Gesicht war alle Farbe gewichen. Er wirkte verkrampft und presste verzweifelt die Lippen zusammen, als würde er von starken Schmerzen geplagt. Aus seinen blauen Augen wich jeglicher Glanz.
    »Tut mir leid«, sagte er, »ich hab ganz vergessen … Ich kann nicht, Sarah! Sorry, aber …« Er drehte sich abrupt um und rannte auf den Gehsteig zurück.
    Sie blickte ihm verwirrt nach. »Ethan!«, rief sie. »Ethan! Was ist denn?«
    Dann war sie plötzlich von hupenden Autos umringt, und ein Taxifahrer ließ sein Fenster herunter und rief: »Sind Sie farbenblind, Lady? Machen Sie die Straße frei oder ich rufe die Polizei!«
    Sie blickte noch einmal in die Richtung, in der Ethan verschwunden war, dann rannte sie auf die andere Seite.
    Niskigwun stieg den steilen Pfad zu der roten Zeder hinab, die bei seinem Volk heilig war und wie ein stummer Wächter auf dem Felsvorsprung über der Bucht emporragte. »Little Spirit Tree« hieß dieser Baum bei den Weißen, »Manido-Gree-Shi-Gance« nannten ihn die Anishinabe.
    Wie immer, wenn er in einer heiligen Mission unterwegs war, trug Niskigwun die Kleidung seiner Vorfahren.Die Leggins und das Kriegshemd aus Wildleder, die mit blau-roten Blumenmustern verzierten Mokassins, die er von seinem Großvater geerbt und schon ein paarmal geflickt hatte, die mit bunten Streifen verzierte Decke, die so um seine Schultern gebunden war, dass er beide Hände frei hatte. Über seinen grauen Haaren, die er zu zwei Zöpfen geflochten hatte, trug er eine Kappe aus Wolfsfell, in der Krähenfedern steckten. Sein Gesicht hatte er wie die Jäger früherer Tage mit Fett eingerieben, um besser gegen den kalten Wind geschützt zu sein.
    Vor dem Baum öffnete er seine Ledertasche, holte ein Päckchen mit Tabak heraus und streute einige Krümel auf den Boden vor der Zeder. Er verharrte mit geschlossenen Augen vor dem heiligen Baum und rief: »Kitche Manitu! Ich bin gekommen, um deinen Namen zu rufen und dich mit Gebeten und Liedern zu ehren. Ich bin Niskigwun, ein anerkannter Jäger der Midewiwin, aufgewachsen mit den Nachkommen meines einst so stolzen Volkes, das vergessen zu haben scheint, welche hehren Ziele die Mitglieder der Midewiwin verfolgen. Ein Leben ohne Alkohol, Drogen und böse Taten haben wir in feierlichen Ritualen geschworen, so wie die Männer und Frauen längst vergangener Tage, und doch gibt es Anishinabe, die diese Gebote nicht beachten und deinen Namen missbrauchen. Kitche Manitu, bestrafe diese Menschen!«
    Er verharrte einen
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