Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)

Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)

Titel: Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)
Autoren: Asia Greenhorn
Vom Netzwerk:
aus dem Haus drangen, waren die einzigen Geräusche das vom Wind bewegte Laubwerk und, etwas weiter weg, ein leises Scharren.
    Winter konzentrierte sich auf die Bewegungen und konnte schließlich einen Schatten erkennen, der aus einem Gebüsch heraustrat, unscharf und kaum erkennbar am Rand ihres Gesichtsfelds. Er hielt sich auf Distanz: ein wildes Tier wahrscheinlich, denn die Ponys waren so spät am Abend nicht mehr auf der Weide.
    Ein paar Tage zuvor hatte Dai ihr erzählt, dass Dachse und Füchse nachts bis in die Wohngebiete vordrangen.
    Winter lächelte. Von allen Familienmitgliedern hatte sie mit dem kleinen Jungen zweifellos den engsten Kontakt. Dass sie Morwenna nichts von der zerschlagenen chinesischen Vase gesagt hatte, musste ihn positiv beeindruckt haben.
    Dann bemerkte sie, dass Gareth zu ihr nach draußen trat.
    »Fandest du den Film nicht spannend?«, fragte er, als er sie im Dunkeln gefunden hatte.
    »Nicht besonders«, antwortete Winter vage.
    Obwohl er ihren Moment der Einsamkeit störte, wollte Winter sich Mühe geben, wenigstens höflich zu ihm zu sein. Die Chiplins waren im Grunde sehr nett zu ihr.
    »Habe ich mir gedacht«, sagte Gareth und näherte sich, bis sie seine Gesichtszüge erkennen konnte.
    Die kleine Flamme eines Feuerzeugs beleuchtete kurz sein Gesicht, als er sich eine Zigarette anzündete. Zum ersten Mal sah sie ihn etwas tun, das nicht ins Bild des Musterknaben passte, und Winter war gleichzeitig erstaunt und erleichtert.
    Sie ließ ihm Zeit, um den inhalierten Zigarettenrauch auszuatmen.
    »Wieso?«, fragte sie dann.
    Bevor er antwortete, warf er ihr das schiefe Lächeln zu, das für Winter inzwischen schon zu seinen Gesichtszügen gehörte, eine Art Mittelding zwischen einem Grinsen und einem echten Lächeln.
    »Weil du seit fast zwei Wochen hier bist und ich dich noch nie lachen gesehen habe. Nur mit Dai bist du manchmal nah dran …«
    Er sah ihr direkt in die Augen, soweit es bei dem schwachen Licht möglich war, dann zuckte er mit den Schultern.
    »Entschuldige«, sagte er dann, »es geht mich nichts an.«
    Winter nickte, bevor sie es verhindern konnte.
    Dann versuchte sie wieder einzulenken.
    »Ich muss mich entschuldigen, ich glaube, ich bin nicht gerade die ideale Gesellschaft.«
    Hinter seiner gleichgültigen Art schien Gareth ziemlich viel mitzubekommen. Er blies erneut den Zigarettenrauch aus und schüttelte beschwichtigend den Kopf.
    »Mein Leben ist grad nicht so toll«, erklärte Winter. »Meine Oma, du weißt ja …«
    »Und Cae Mefus«, fügte er ironisch hinzu. »Ich bin ein paarmal in London gewesen. Du musst an einen ganz anderen Lebensstil gewöhnt sein …«
    Zweifellos wahr, aber Winter hatte keine Lust, darüber zu sprechen.
    »Ja, es ist alles ziemlich anders hier«, gab sie leise zu.
    »Sprich dich ruhig aus, wenn du willst«, sagte Gareth spontan.
    »Da gibt es nicht viel zu erzählen.«
    Besser gesagt, nur allzu viel. Aber Winter Starr hatte nicht die geringste Lust, mit einem Chiplin aus dem Distrikt Conwy Freundschaft zu schließen.
    Gareth verzog die Lippen auf seine charakteristische Art. Die Zigarette war zwischen seinen Fingern heruntergebrannt, und mit einer letzten Rauchwolke schien auch das Gespräch zu verfliegen.
    Winter gähnte und der Junge warf einen letzten, prüfenden Blick auf die dunklen Weiden, bevor er hinter ihr ins Haus trat.
    Sie war im Krankenhaus. Das grässliche Summen der Apparate, die ihre Großmutter am Leben erhielten, schien ihr das Trommelfell zu zerfetzen. Ihre Großmutter lag unbeweglich im Bett und Winter beobachtete die kaum wahrnehmbaren und unregelmäßigen Bewegungen ihres Brustkorbs, das langsame, schleppende Einziehen und Ausstoßen des Atems. Bei jedem Atemzug fragte sie sich, ob wohl ein nächster folgen würde, und sie fühlte die Tränen über ihre Wangen rinnen.
    Plötzlich war es ihr zu viel.
    Winter verließ das Zimmer und stürzte in den Flur. Sie bekam keine Luft mehr, hatte Atemnot.
    Sie musste sich beeilen …
    Da waren viele Türen und sie erinnerte sich nicht mehr, wo der Ausgang war.
    Eilig schritt sie durch die erstbeste Tür und befand sich im Treppenhaus. Sie stieg die Treppen hinab, immer drei Stufen auf einmal, ein Stockwerk nach dem andern.
    Treppen und noch mehr Treppen.
    Sie führten hinauf und hinunter und dennoch nirgendwohin …
    Winter begann zu schreien.
    Ihr eigener Schrei weckte sie auf.
    Winter hatte Herzjagen wie noch nie in ihrem Leben, sie taumelte ins Bad und erfrischte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher