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Winter der Zärtlichkeit

Winter der Zärtlichkeit

Titel: Winter der Zärtlichkeit
Autoren: Linda Miller
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anderen den Zügel umklammernd, so ritt Hannah los. Bald schon traf sie auf die beiden Pferde, die Doc befreit hatte, und folgte rückwärts ihrer Spur, bis der Schatten eines umgekippten Schlittens in der Dunkelheit auftauchte.
    „Doss!“, schrie sie. Ihre Stimme war heiser, und sie begriff, dass sie den Namen immer und immer wieder gerufen haben musste, nicht nur ein Mal.
    Dann sah sie ihn, mit dem Gesicht nach unten im Schnee, einige Meter vom Schlitten entfernt. Hannah befürchtete, dass er sich jeden einzelnen Knochen im Leib gebrochen hatte. Sie kletterte von Seesaws Rücken und stapfte zu der Stelle, wo er völlig reglos lag.
    Sie kniete sich neben ihn, stellte die Laterne ab und drehte ihn um.
    „Doss“, flüsterte sie.
    Er rührte sich nicht.
    Hannah beugte sich über ihn, die Wange nah an seinen Lippen und spürte seinen Atem, die gesegnete Wärme auf ihrer Haut.
    Tränen der Erleichterung liefen aus ihren Augen, sie wischte sie hastig fort, damit sie nicht in ihren Wimpern zu Eis gefroren.
    „Doss!“, rief sie noch einmal.
    Er öffnete die Augen.
    „Was machst du hier?“ Er klang bestürzt.
    „Ich habe nach dir gesucht, du verdammter Idiot“, antwortete sie.
    „Du bist doch nicht etwa tot, oder?“
    „Natürlich bin ich nicht tot.“ Jetzt ließ sie ihren Tränen freien Lauf. „Und du auch nicht, was wirklich ein Wunder ist, so wie du den Schlitten gefahren haben musst, um einen solchen Unfall zu bauen. Kannst du dich bewegen?“
    Blinzelnd stützte er sich auf die Ellbogen und tastete nach seinem Hut.
    „Wo ist Doc?“ Sein Gesicht wurde hart. „Tobias ...“ „Tobias geht es gut“, versicherte sie. „Und Doc ist im Haus, um wieder aufzutauen. Es ist wirklich ein Wunder, dass er es so weit geschafft hat mit seinem Fuß.“
    Ein Grinsen erhellte Doss’ Gesicht, und Hannah hätte ihn dafür am liebsten geohrfeigt. Begriff er denn nicht, dass er sich beinahe umgebracht hatte? Dass sie ihr Kind beinahe allein hätte aufziehen müssen?
    „Ich schätze, Doc hat recht“, sagte Doss. „Ich muss dir einfach sagen ...“
    „Was sagen?“, schimpfte Hannah. „Es wird hier draußen von Minute zu Minute kälter, und der Wind wird auch schlimmer. Kannst du aufstehen? Der arme alte Seesaw wird uns beide heimtragen müssen, aber ich schätze, das schafft er schon.“ „Hannah.“ Doss umklammerte ihre Schultern und schüttelte sie leicht. „Ich liebe dich.“
    „Du redest wirr, Doss. Du bist auf den Kopf gefallen ...“ „Ich liebe dich“, wiederholte er. Als er aufstand und Hannah mit sich hochzog, stieß er die Laterne um. Sie erlosch. „Seit dem Tag, an dem ich dich zum ersten Mal gesehen habe.“ Ungläubig starrte sie ihn an.
    „Ich weiß nicht, was du für mich empfindest, Hannah. Es wäre wundervoll, wenn du genauso fühlen würdest, aber wenn nicht, kannst du es vielleicht lernen.“
    „Das muss ich nicht erst lernen“, hörte sie sich sagen. „Ich bin in diesen Schneesturm geritten, um dich zu finden, oder nicht? Nachdem ich die schlimmsten Qualen ausgestanden und mich immer wieder gefragt hatte, wo du nur bleibst. Natürlich liebe ich dich!“
    Sein strahlender, triumphaler Kuss wärmte sie bis in die Zehenspitzen.
    „Ich werde dir von jetzt an ein richtiger Ehemann sein“, schwor er. Dann formte er die Hände zu Steigbügeln. Hannah landete rittlings auf Seesaws geduldigem alten Rücken.
    Doss schwang sich hinter sie und griff um sie herum nach den Zügeln. „Lass uns nach Hause reiten“, murmelte er nahe an ihrem Ohr.
    Den Whiskey in ihrer Tasche hatte Hannah vollkommen vergessen.
    Trotz Dunkelheit und Schneetreiben waren die Lichter im Haus in der Ferne zu sehen.
    Seesaw kannte den Weg söwieso und trottete ruhig los.
     

Heute
     
    Die Welt schien steif gefroren, als Sierra am nächsten Morgen aufwachte und feststellte, dass Liam nicht im Bett lag. Von unten wehten Stimmen hinauf, genau wie die Wärme der Heizung und vermutlich auch die eines Feuers.
    Sie stieg aus dem Bett, durchkämmte mit den Fingern ihr Haar und huschte den Flur entlang zur Treppe.
    Gerade sagte Travis etwas, und Liam lachte laut auf. Der Klang dieses Lachens war für sie wie eine Injektion Sonnenschein. Dann hörte sie eine dritte Stimme, eine weibliche.
    Sierra beschleunigte ihre Schritte und rannte mit nackten Füßen die Treppe hinunter.
    Travis und Liam saßen am Tisch und sahen sich einen Comic in der Zeitung an. Eine schlanke blonde Frau in Jeans und einem pinkfarbenen Hemd stand an der
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