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Wind (German Edition)

Wind (German Edition)

Titel: Wind (German Edition)
Autoren: Stephen King
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Flößer riss die Augen noch weiter auf. »Aus dem Gilead von einst? Sagst du das?«
    »Aus dem Gilead von einst«, bestätigte Roland und fühlte ungewohnten Kummer aus seinem Herzen aufsteigen. Die Zeit war ein Gesicht auf dem Wasser, und sie tat wie der Strom vor ihnen nichts, als zu fließen.
    »Dann kommt an Bord. Und seid willkommen. Dieser junge Mann und ich sind schon gute Freunde, das sind wir.« Als Oy das große Floß betrat, beugte der Alte sich hinunter, um den hochgereckten Kopf des Bumblers zu streicheln. »Und das sind auch wir, nicht wahr, kleiner Kerl? Weißt du meinen Namen noch?«
    »Bix!«, sagte Oy prompt, dann drehte er sich in die Richtung, aus der sie gekommen waren, und hob die Schnauze. Seine goldgeränderten Augen starrten wie gebannt die Wolkenstraße an, die den Pfad des Balkens bezeichnete.

4
    »Wollt ihr mithalten?«, fragte Bix sie. »Was ich habe, ist kümmerlich und bescheiden, aber ich will mein Weniges gern mit euch teilen.«
    »Danke, gern«, sagte Susannah. Sie sah zu dem Drahtseil auf, das den Fluss schräg überspannte. »Das hier ist eine Fähre, oder?«
    »Yeah«, sagte Jake. »Bix hat mir erzählt, dass drüben am anderen Ufer Leute wohnen. Nicht nahe, aber auch nicht weit entfernt. Er glaubt, dass sie Reisfarmer sind, allerdings kommen sie nicht oft hierher.«
    Bix trat von dem großen Floß auf den Steg und verschwand im Bootshaus. Eddie wartete, bis sie den Alten herumkramen hörten, dann beugte er sich zu Jake hinüber und fragte ihn leise: »Ist er in Ordnung?«
    »Ziemlich«, sagte Jake. »Freut sich darauf, jemand rüberbringen zu können. Das letzte Mal liegt Jahre zurück, sagt er.«
    »Darauf würde ich wetten«, stimmte Eddie zu.
    Bix kam mit einem Weidenkorb zurück, den Roland ihm sofort abnahm – sonst wäre der Alte womöglich damit ins Wasser geplumpst. Bald saßen sie alle in den Korb sesseln und mampften Popkins, die mit rosa Fischfleisch gefüllt waren. Es war gewürzt und schmeckte köstlich.
    »Esst nach Herzenslust«, sagte Bix. »Der Fluss ist voller Shannies, und die meisten weisen keine Mutationen auf. Das gilt hier im Äußeren für fast alle Lebewesen. Die Muties werfe ich zurück. Früher waren wir angewiesen, die schlechten ans Ufer zu werfen, damit sie sich nicht weiter vermehren können, und ich hab’s auch eine Zeit lang getan, aber jetzt …« Er zuckte die Achseln. »Leben und leben lassen, sag ich mir. Als jemand, der selbst lange gelebt hat, find ich, dass ich das sagen darf.«
    »Wie alt bist du denn?«, fragte Jake.
    »Ich bin vor ziemlich langer Zeit hundertzwanzig geworden, aber seither bin ich beim Zählen durcheinandergeraten, das bin ich. Auf dieser Seite der Tür ist die Zeit kurz, müsst ihr wissen.«
    Auf dieser Seite der Tür. Wieder zupfte die Erinnerung an irgendeine alte Geschichte an Roland, verschwand aber wieder genauso schnell.
    »Folgt ihr dem da …?« Der Alte deutete auf das dahinziehende Wolkenband.
    »Das tun wir.«
    »Zu den Callas oder noch weiter?«
    »Weiter.«
    »Ins große Dunkel?« Bei dieser Vorstellung wirkte Bix besorgt und fasziniert zugleich.
    »Wir gehen unseren Weg«, sagte Roland. »Was verlangst du fürs Übersetzen, Sai Fährmann?«
    Bix lachte. Sein brüchiges Lachen klang vergnügt. »Geld nutzt nichts, wenn man es nicht ausgeben kann. Ihr habt kein Vieh, und dass ich mehr zu essen habe als ihr, ist klar wie der lichte Tag. Und ihr könntet eure Waffen ziehen und mich zwingen, euch überzusetzen.«
    »Niemals!«, sagte Susannah sichtlich schockiert.
    »Das weiß ich«, sagte Bix mit einer beruhigenden Handbewegung. »Verwüster täten’s vielleicht – und würden noch dazu meine Fähre verbrennen, sobald sie drüben wären –, aber wahre Revolvermänner niemals. Und ihre Frauen ebenfalls nicht. Du scheinst nicht bewaffnet zu sein, Missus, aber bei Frauen weiß man das ja nie.«
    Susannah quittierte das mit einem schmallippigen Lächeln, ging aber sonst nicht weiter darauf ein.
    Bix wandte sich an Roland. »Mir scheint, ihr kommt aus Lud. Erzählt mir, wie die Dinge dort stehen. Das war nämlich eine wundervolle Stadt, das war es. Schon damals heruntergekommen und immer befremdlicher, aber trotzdem herrlich.«
    Die vier wechselten einen Blick, der als Ausdruck ihrer besonderen Telepathie völlig an-tet war. Zugleich verdüsterte ihn Shume – ein altes Wort aus Mittwelt, das Scham, aber auch Kummer bedeuten konnte.
    »Was?«, fragte Bix. »Was hab ich gesagt? Wenn ich um was Ungehöriges
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