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Wind (German Edition)

Wind (German Edition)

Titel: Wind (German Edition)
Autoren: Stephen King
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interessierte mich nicht, aber die hitzig geführte Diskussion brachte mir einen Zeitgewinn ein, was auch ihr eigentlicher Zweck war. Hatte der Schmied seinen Auftrag fertiggestellt, war alles in Ordnung. Hatte er es nicht getan, würde ich improvisieren müssen. Wer als Revolvermann nicht improvisieren konnte, starb früh.
    Die Bergleute schlurften herum wie Kinder, die das Salzsäulenspiel spielten und nur darauf warteten, dass die Musik aussetzte, und wechselten ihre Plätze, bis sie ungefähr dem Alter nach aufgestellt waren. Die Schlange begann an der Tür zum Gefängnis und endete am Ausgang zur Straße. Luka war der Erste; Armbanduhr stand in der Mitte; der Junge in meinem Alter, der gesagt hatte, sie hätten immer Angst, bildete das Schlusslicht.
    »Sheriff, nehmt Ihr inzwischen ihre Namen auf?«, sagte ich. »Ich muss noch mal mit dem jungen Streeter reden.«
    Billy stand an den Gitterstäben der Ausnüchterungszelle. Er hatte unser Palaver in der Dienststelle mitbekommen und wirkte verängstigt. »Ist er hier?«, fragte er. »Der Fellmann?«
    »Davon gehe ich aus«, sagte ich. »Aber das lässt sich nicht sicher feststellen.«
    »Sai, ich hab Schiss.«
    »Das nehme ich dir nicht übel. Aber die Zelle ist abgeschlossen, und die Stäbe sind aus gutem Stahl. Er kann nicht an dich ran, Billy.«
    »Ihr habt ihn nicht gesehen, als er ein Bär war«, flüsterte Billy. Seine riesig gewordenen Augen glänzten, sein Blick war starr geworden. Er sah wie jemand aus, der gerade einen Kinnhaken verpasst bekommen hatte. Der im nächsten Moment weiche Knie bekommen und zusammensacken würde. Draußen heulte der Wind um die Traufe des Gefängnisses.
    »Der unerschrockene Tim hatte auch Angst«, sagte ich. »Aber er hat trotzdem weitergemacht. Das erwarte ich auch von dir.«
    »Bleibt Ihr bei mir?«
    »Aye. Mein Freund Jamie auch.«
    Wie auf ein Stichwort hin öffnete sich in diesem Augenblick die Verbindungstür, und Jamie, der sich Alkalistaub vom Hemd klopfte, kam herein. Sein Anblick stimmte mich froh. Der Gestank von ungewaschenen Füßen, der ihn begleitete, war weniger erfreulich.
    »Hast du es bekommen?«, fragte ich.
    »Ja. Sieht sehr ordentlich aus. Und hier ist die Namensliste.«
    Er übergab mir beides.
    »Bist du bereit, mein Sohn?«, fragte Jamie den Jungen.
    »Irgendwie schon«, sagte Billy. »Ich tu einfach so, als wär ich der unerschrockene Tim.«
    Jamie nickte ernst. »Gute Idee. Ich wünsch dir Glück dabei.«
    Ein besonders starker Windstoß schien das Gebäude erzittern zu lassen. Beißender Staub drang durch das vergitterte Fenster der Ausnüchterungszelle. Dann war wieder das unheimliche Heulen in den Dachsparren zu hören. Draußen wurde es zusehends dunkler. Ich hatte kurz den Gedanken, es könnte besser – sicherer – sein, die wartenden Salzhauer nachts einzusperren und erst morgen weiterzumachen, aber neun von ihnen hatten ja nichts getan. Auch der Junge war unschuldig. Am besten brachte ich die Sache doch jetzt zu Ende. Das heißt, wenn sie sich überhaupt zu Ende bringen ließ.
    »Pass auf, Billy«, sagte ich. »Ich lasse sie hübsch langsam vorbeigehen. Vielleicht passiert überhaupt nichts.«
    »A-also gut.« Seine Stimme zitterte.
    »Willst du zuvor einen Schluck Wasser? Oder musst du pinkeln?«
    »Mir geht’s gut«, sagte er, aber sein Anblick strafte das Lügen. »Sai? Wie viele haben blaue Ringe am Fuß?«
    »Alle«, sagte ich.
    »Wie wollt Ihr dann …«
    »Sie wissen nicht, wie viel du gesehen hast. Du siehst dir einfach jeden an, wenn er vorbeigeht. Und tritt ein paar Schritte zurück, ja?« Außer Reichweite, meinte ich damit, aber das wollte ich nicht laut sagen.
    »Was soll ich sagen?«
    »Nichts. Außer du siehst etwas, was dich an etwas erinnert.« Darauf hoffte ich allerdings nicht ernstlich. »Hol sie jetzt rein, Jamie. Mit Sheriff Peavy an der Spitze und Wegg am Ende.«
    Er nickte und ging hinaus. Billy streckte eine Hand durch die Gitterstäbe. Ich verstand nicht gleich, was er wollte. Dann ergriff ich seine Hand und drückte sie kurz. »Tritt jetzt zurück, Billy. Und erinnere dich an das Angesicht deines Vaters. Er sieht dir von der Lichtung aus zu.«
    Er gehorchte. Ich sah auf die Liste, überflog die Namen (einige vermutlich falsch geschrieben), die mir alle nichts sagten, und ließ dabei die Hand auf dem Griff meines rechten Revolvers ruhen. Auf der Waffe, die jetzt mit einem ganz speziellen Geschoss geladen war. Vannay hatte gesagt, es gebe nur ein sicheres Mittel,
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