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Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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Flugplatz für Kleinjets und Copter als »Haus« zu bezeichnen, grenzte doch hart an Untertreibung.
    »Ist jetzt wieder aufgebaut. Gefällt Ihnen Ihr Zimmer, John?«
    John brachte ein Lächeln zustande und nickte. »Ausgezeichnet, Sir.«
    »Genießen Sie es«, sagte Reinhardt. »Kurz vor der Entscheidung der Kontaktgruppe, wer die Elektronik liefert, kommt dieses Ding hier herunter und BUMM. Eigenbau. Unbekannte Spezifikationen, unbekannter Sprengstoff, unbekannter Absender. Ein Projob.«
    PROTEK mit seiner Challenge war in der Entscheidungsphase der heißeste Konkurrent um die Aufträge gewesen, die MICROSYS gehabt hatte. John erinnerte sich an die Pläne zur Challenge, die auf seinem Schreibtisch gelegen waren, bevor PROTEK seine Maschine überhaupt öffentlich angekündigt hatte. Ihm war sofort klar gewesen, welch feine Ingenieursarbeit er würde überbieten müssen, um das Rennen bei der Kontaktgruppe zu machen. Nun, das Rennen hatten sie gemacht. Konnte gut sein, daß sie kurz hinter der Ziellinie zusammenbrechen würden.
    »Das ist das eine, was ich dir erzählen wollte. Das andere ist eine Tatsache, die mir auch erst neuerdings bekannt ist. Wissen Sie, was es IBM damals gekostet hat, die Tatsache zu verschleiern, daß ihr Rechner Mitschuld an der Apollo-Katastrophe hatte? Sie mußten die ganze beschissene Firma in zwei Teile teilen, um einen einzigen kleinen Satz aus dem Abschlußbericht der Warner-Kommission herauszukaufen. Der Satz lautete: Angesichts des Verhaltens der Landefähre in der Phase vor dem Abbruch des Funkkontakts ist nicht auszuschließen, daß eine Fehlfunktion der Computeranlage den Absturz im Meer der Stille mitverursacht hat. Habe ich extra auswendig gelernt. Ich muß Ihnen ja nicht erzählen, wo IBM heute ist.«
    Die letzten Reste von IBM waren vor fünf Jahren von MI-CROSYS aufgekauft worden. Hatte nicht viel gekostet. Reinhardt wischte sich eine Fliege von der Stirn.
    Er sieht nicht wie ein Schwein aus, dachte John, eher wie diese ausgestorbene Hunderasse mit den Fettwülsten am Hals. Boxer …
    »Und jetzt kommt das Beste. Vor einigen Tagen rief ein ganz hohes Tier von der CSS bei mir an. Schien irgendwie aus dem Orbit zu kommen, sagen die Techniker. Hat mir erzählt, eine Anima-5C, die seine Freunde getestet hätten, hätte schlappgemacht. Auf wirklich üble Weise. Klang ziemlich ähnlich, wie das, was Sie mir vorhin erzählt haben. Er hat mir dann gedroht, daß er aus mir Hackfleisch macht, wenn unser Rechner Apollo II in den Sand setzt. Und er hat gesagt: ›Erst Sie und dann John Papert.‹ Ich habe ihn ausgelacht, war aber ziemlich verärgert, daß unsere Leute den Anruf nicht zurückverfolgen konnten. Konnten sie nämlich nicht.« Noch ein Zug an seinem Glas. »Man hört soviel. Zum Beispiel, daß die CSS die Challenge lieber gehabt hätte. Man hört Sachen aus der Schweiz, wo Plutonium aus dem Endlager verschwindet, und eine gute Handvoll von Elitesoldaten im Orkus. Wir haben hier jetzt einen Bunker, der hält einhundert Kilotonnen aus. Aber man muß erst einmal drin sein, damit er einen schützt. Ich habe eine Frage an Sie, John.«
    »Ja, Sir.«
    »Wenn Sie bedenken, was ich Ihnen gerade erzählt habe. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, daß unsere Maschine versagt?«
    Zu seiner Überraschung stellte John fest, daß Dobsons linkes Auge von einem dunkleren Blau war als sein rechtes. War das erst seit dem Frühjahr so, oder war es ihm bisher nur nicht aufgefallen?
    »Einmal in 27.000 Jahren.«
    »So«, sagte Reinhardt und nickte bedächtig. »Einmal in 27.000 Jahren. Irgendwie, John, ich weiß nicht … also diese Hitze … Ich war nie ein Pessimist, aber jetzt glaube ich fest daran, nein, ich weiß, daß wir erledigt sind. Trinken Sie was von dem Zeug hier. Wir sind erledigt.«
     
    Der Feuerschein leuchtete rot in den Himmel hinauf, die tiefliegenden Wolken warfen ihn zurück. Das Morgenrot am Horizont konkurrierte mit dem Rot der Flammen, die fast qualmlos aus den Dächern und Fenstern des Klosters brachen, wie kurzlebige rote Rosen. Es war der früheste Morgen, und ein kräftiger Wind fachte das Feuer an wie ein Blasebalg. Der Roshi stand auf einem Hügel, einige Dutzend Meter von seinem brennenden Kloster entfernt, und betrachtete die Löscharbeiten seiner Mönche. Die Hitze war schon so groß, daß er sie auf diese Entfernung spüren konnte, sein Gesicht begann zu glühen. Was da brannte, war sein Leben: eine Klosterbibliothek mit kostbaren Schriften und Tuschmalereien,
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