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Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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zum Sonderling gemacht hatte, während er diesen Nullsatz hervorstammelte, wurde ihm zum ersten Mal bewußt, daß er Angst hatte, und daß er, wenn es nun hart auf hart kam, wenn Tina ihn von ihrer Tür vertrieb, wenn er beim Wohlfahrtsausschuß nicht ankam, ganz allein war. Ganz allein.
    »Issn das?« fragte der bleiche Lover noch einmal, der offenbar ein Liebhaber dieser Trümmergrammatik war.
    »Der Osterhase«, sagte Tina, und: »Verpiß dich.«
    Und Eddie wußte einen Moment lang nicht, wen sie damit meinte, aber Issndas bezog die Aufforderung offenbar auf sich und begann in seiner elliptischen Art zu protestieren.
    »Mensch … wasn los … solln das … kannste doch nich …«
    Aber er tauchte ins Halbdunkel hinter Tina ab, und während es irgendwo da hinten raschelte, wie von aufgelesenen Kleidern, und während er weiterhin seine Sprachkötel mümmelte, fertigte Tina ihn noch einmal mit einem scharfen »Verpiß dich!« ab. Eddie hätte etwas über die Frauen lernen können, wenn diese Zufriedenheit auf Tinas Gesicht ihm nur klar aufgegangen wäre, zunächst nahm er sie nur einmal befremdet wahr. Noch befremdeter nahm Eddie wahr, daß Tina offenbar das Lederarmband wirklich trug, das er ihr seinerzeit geschenkt hatte, ein einfaches hellbraunes Lederband, ein wenig abgeschabt, ein wenig durchgeschwitzt vielleicht, aber es war das Band, das er ihr geschenkt hatte. Sie fing seinen verdutzten Blick auf und erlaubte sich ein kurzes Lächeln.
    Issndas schlurfte jetzt halb angezogen zwischen ihnen hindurch, immer noch murmelnd.
    »Ja ja, wiedersehn, wiedersehn«, sagte Tina, und warf die Tür hinter ihm in den Rahmen. »Arschloch«, sagte sie herzhaft und bog um die Ecke. Tina machte Licht in der Küche, aber die Zwanzigwattfunzel warf nur ein schummeriges und sozusagen schleimiges Licht über die dilettantisch zusammengeballerten Küchenmöbel. Das war Stil und keine Armut, vor einem Jahr noch hatte es in diesem Haus und dieser Küche anders ausgesehen, wie Eddie sich deutlich erinnerte. Eine harte Frau war Tina allerdings damals schon gewesen.
    »Also«, sagte sie, während sie sich setzte. Ihr Gesicht nahm Haltung an wie ein Soldat.
    Eddie stand noch im Rahmen der Küchentür und wußte nicht wie anfangen. Er mußte Tina überzeugen, das allein kam ihm jetzt wichtig vor. Er hatte einen Plan.
    Während er einen Stuhl herauszog, sagte er:
    »Ich hatte heute morgen Besuch … draußen, auf der Insel.«
    Dabei kramte er wie beiläufig die graue Schachtel Brauners hervor und legte sie auf den Tisch. Tina nahm sie in die Hand und sagte: »Ja und.« (Auf diesen Stühlen saß man besser als vermutet). Eddie fischte ihr die Schachtel weg und ließ die Stäbe herausgleiten, deren hellblaue Intarsien im Halbdunkel der Küche leuchteten. Tinas Augen wurden riesengroß. Aber noch bevor sie ihre Frage stellen konnte, drückte Eddie den einen der Stäbe nieder, etwas zu schnell, wie es schien, denn der Stab wehrte sich durch Gegendruck. Oder waren diese Dinger einfach so schwergängig? Die Lichtspindel jedenfalls, die aus dem Apparat aufschoß, brachte Tina dazu, sich zurückzusetzen, und als die Lichtgestalt Brauners in ihrer Küche stand, richtete sie sich langsam und vorsichtig auf.
    »Eddie …«, protestierte sie, aber Eddie sagte zu dem Licht-Brauner: »Weiter!« Und Brauner, der Tote, erklärte auch Tina die Gezeitenmaschine.
     
    »Sie werden dich zerstückeln«, sagte Tina, nein, schrie es eher, und Eddie hängte seinen Kopf eine Etage tiefer, das haßte er an sich selber, weil er wußte, daß er dann wie ein geköpftes Schaf aussah, aber das war nun einmal sein Reflexverhalten angesichts schreiender, wütender Menschen. (Bei Frauen sowieso.)
    »Sie werden dich zerstückeln, du Riesenarschloch.« Tina warf ihren Stuhl um, bevor sie in der Küche zu wandern anfing.
    »Weißt du, was das heißt?« fragte sie und holte noch einmal Luft. »Ja … weißt du, was das heißt, du Scheißer? Wenn dieses Ding, diese Gezeitenmaschine wirklich funktioniert, dann gerät die ganze Energieerzeugung aus dem Gleichgewicht. Und nicht nur in diesem Land, sondern weltweit, mein Lieber.« Sie funkelte ihn an. »Ich bin absolut damit einverstanden, daß dieser Brauner sich kaltgemacht hat, aber er hätte es tun sollen, bevor er so wild in der Gegend herumerfindet. Hörst du Nachrichten? Liest du Zeitung? Weißt du, wer seit einiger Zeit mehr als fünfzig Prozent der Anteile an der Impact Offshore Engineering AG hält? Du wirst es nicht
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