Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
London. »Aber das wäre ja schrecklich gefährlich.« »Ja, nicht? Ich gehe jetzt jedenfalls weiter. Und nicht vergessen: ein Mann mit durchgeschnittener Kehle in der Nähe der Mahlzähne.«
    »Mahlzähne, ja. Ich werd’s mir merken. Ach, wissen Sie –«
    »Ja?«
    »Meinen Sie nicht, ich sollte lieber mit Ihnen kommen? Um Sie zu beschützen, meine ich, und so …«
    Harriet mußte lachen. Sie war sicher, daß der junge Mann nur keine große Lust hatte, an den Mahlzähnen vorbeizugehen.
    »Wie Sie wollen«, meinte sie gelassen, während sie schon weiterging.
    »Ich könnte Ihnen auch die Häuser zeigen«, gab der junge Mann zu verstehen.
    »Na gut«, sagte Harriet. »Kommen Sie mit. Wir müssen uns beeilen.«
    Nach einer Viertelstunde erreichten sie die Häuser – zwei niedrige, strohgedeckte Katen rechts von der Straße. Davor war eine hohe Hecke gepflanzt, die sie vor den Meeresböen schützte, zugleich aber auch jede Sicht auf die Küste versperrte. Gegenüber führte ein von niedrigen Steinwällen eingefaßter schmaler Weg zum Strand hinunter. Für Harriet waren die Häuser eine Enttäuschung. Sie waren bewohnt von einer sehr alten Frau, zwei jüngeren Frauen und ein paar kleinen Kindern, die Männer aber waren alle zum Fischen draußen. Sie würden heute lange draußen bleiben, aber mit der Abendflut würden sie wohl wiederkommen. Harriets Geschichte stieß auf schmeichelhaft großes Interesse, und die Frauen versprachen, sie ihren Männern zu erzählen, wenn sie wiederkämen. Sie boten ihr auch eine Erfrischung an, und diesmal nahm Harriet an.
    Sie war ziemlich sicher, daß die Leiche inzwischen von der Flut bedeckt sein würde, so daß eine halbe Stunde mehr oder weniger auch nichts mehr ausmachte. Die Aufregung hatte sie ermüdet. Sie trank den Tee und war dankbar dafür.
    Dann nahmen die Reisegefährten ihre Wanderschaft wieder auf, wobei der Herr aus London, dessen Name Perkins war, ständig über Blasen an den Füßen klagte. Harriet beachtete ihn nicht. Hier mußte doch jetzt bald mal irgendwer vorbeikommen.
    Das einzige, was kam, war eine schnelle Limousine, die sie eine halbe Meile später überholte. Der stolze Chauffeur sah in den beiden winkenden Wanderern nur ein staubiges Anhalterpärchen und trat entschlossen aufs Gaspedal.
    »Gemeiner Kerl!« schimpfte Mr. Perkins und blieb stehen, um sich die wunde Ferse zu reiben. »Limousinen mit Chauffeuren taugen nie was«, sagte Harriet. »Wir brauchen einen Lastwagen oder einen sieben Jahre alten Ford. Oh, sehen Sie mal!
    Was ist denn das?«
    »Das« war ein Schrankenpaar quer über der Straße und ein kleines Häuschen daneben.
    »Ein Bahnübergang, na so ein Glück!« Harriet faßte neuen Mut. »Da muß doch jemand drinnen sein.«
    Es war jemand drinnen. Sogar zwei – ein alter Krüppel und ein kleines Mädchen. Harriet fragte hoffnungsvoll, wo sie hier ein Auto oder ein Telefon finden könne.
    »Das finden Sie beides im Dorf, Miss«, antwortete der Krüppel. »Das heißt, ein Dorf ist es ja nicht direkt, aber Mr. Hearn, der Krämer, hat ein Telefon. Das hier ist Darley Halt, eine Bedarfshaltestelle, und bis Darley sind es noch zehn Minuten zu Fuß. Da finden Sie schon jemanden, Miss, ganz bestimmt. Moment mal, Miss. Liz, die Schranke!« Das Kind lief hinaus, um die Schranke zu öffnen und einen kleinen Jungen durchzulassen, der ein großes Pferdefuhrwerk führte.
    »Kommt hier gleich ein Zug durch?« erkundigte Harriet sich beiläufig, weil die Schranke gleich wieder geschlossen wurde.
    »Erst in einer halben Stunde, Miss. Wir halten aber die Schranke meist geschlossen. Viel Verkehr kommt ja hier nicht durch, und so bleibt wenigstens das Vieh von den Geleisen. Tagsüber kommen hier ziemlich viele Züge. Das ist doch die Hauptstrecke von Wilvercombe nach Heathbury. Die Schnellzüge halten hier natürlich nicht, nur die Bummelzüge, und das sind nur zwei am Tag, außer am Markttag.«
    »Ach so, verstehe.« Harriet wunderte sich plötzlich selbst, wieso sie nach Zügen fragte, bis ihr klar wurde, daß es ihr berufliches Interesse an Fahrplänen war, mit dem sie unbewußt die Möglichkeiten erkundete, wie der Tote zu den Mahlzähnen gekommen sein konnte. Eisenbahn, Auto, Boot – wie war er hingekommen?
    »Um wieviel Uhr –?«
    Nein, das war jetzt nicht wichtig. Das konnte die Polizei nachprüfen. Sie bedankte sich bei dem Schrankenwärter, schob sich durch die Drehkreuze und ging weiter, gefolgt von dem humpelnden Mr.
    Perkins.
    Die Chaussee lief
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher