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Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor

Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor

Titel: Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor
Autoren: Juergen Kehrer
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Präsidium! Ich bin gleich da.«
    Wahrscheinlich hatten sie die blonde Studentin aufgetrieben.
    Er steckte das Handy in die Tasche. »Frau Kaiser, ich möchte Sie bitten, morgen ins Präsidium zu kommen, sagen wir, um zwölf. Dann können wir unser Gespräch fortführen und ein formales Protokoll aufsetzen.«
    Er stand auf und reichte der Witwe die Hand. Ich stand ebenfalls auf.
    »Herr Wilsberg«, ihre Stimme klang erstaunlich fest, »würde es Ihnen etwas ausmachen, noch zu bleiben? Ich habe auch einige Fragen.«
    »Sicher.« Ich setzte mich wieder.
    Stürzenbecher winkte mir zum Abschied zu und ging hinaus.
    Als die Haustür ins Schloss gefallen war, lehnte sich Marie Kaiser mit geschlossenen Augen zurück. »Jetzt könnte ich einen Schnaps vertragen.«
    Der nicht kühlungsbedürftige Teil der Hausbar stand gut sichtbar auf einem Sideboard. Ich nahm ein Glas aus der darüber hängenden Vitrine und goss einen Brandy ein. Der Brandy roch verlockend, ich hätte auch gerne einen getrunken. Aber zum Glück hatte sie mir keinen angeboten.
    Sie kippte den Schnaps in einem Schluck. »Wie viele?«
    »Wie viele was?«
    »Wie viele Frauen?«
    »Heute waren es zwei. Aber ich gebe keine Garantie ab, dass nicht noch andere im Spiel waren.«
    »Er hat sich also nicht geändert.«
    »Scheint so.«
    »Warum habe ich ihm geglaubt?«
    »Weil Sie ihm glauben wollten.«
    Sie schloss die Augen, in denen Tränen schimmerten. »Ein verdammtes Arschloch.«
    Ich ließ den Satz unkommentiert im Raum stehen. Draußen regten sich die Vögel auf.
    »Frau Kaiser«, sagte ich nach einer Weile, »Sie haben ein Problem.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte sie schniefend.
    »Ich kenne Hauptkommissar Stürzenbecher seit vielen Jahren. Heute war er sehr rücksichtsvoll. Morgen wird er Sie härter befragen. Denn Sie haben ein Mordmotiv.«
    »Aber ich ... Ich habe doch gerade eben erst erfahren ...«
    »Er ist ein Bulle. Er glaubt Ihnen nicht.«
    Sie zog den Zeigefinger unter der Nase entlang. Ich gab ihr eins der Papiertaschentücher, die ich immer in der Hosentasche hatte.
    Sie schnäuzte sich. »Was schlagen Sie vor?«
    »Sie brauchen rechtlichen Beistand. Kennen Sie einen Anwalt, dem Sie vertrauen?«
    »Nein, damit habe ich nie zu tun gehabt.«
    Ich überlegte. »Ich kann Ihnen jemanden empfehlen. Eine junge Anwältin, mit der ich lange zusammengearbeitet habe.«
    »Ist das wirklich notwendig?«
    »Falls die Polizei bis morgen früh keine heiße Spur hat, wird sie sich auf das familiäre Umfeld stürzen, aus rein statistischen Gründen. Fünfundneunzig Prozent aller Morde und Totschlagsdelikte haben einen familiären Hintergrund. Sie hatten den Verdacht, dass Ihr Mann fremdgeht, also hatten Sie auch ein Motiv, ihn umzubringen.«
    »Ich kann überhaupt nicht schießen.«
    »Oder ihn umbringen zu lassen.«
    Sie dachte nach. »Gut. Fragen Sie diese Anwältin! Und, Herr Wilsberg ...«
    »Ja?«
    »Ich möchte, dass Sie weiter für mich arbeiten. Wenn mich die Polizei für verdächtig hält, brauche ich jemanden, der an meine Unschuld glaubt.«
    Ich war mir gar nicht so sicher, ob ich sie für unschuldig hielt. Allerdings brauchte ich nur an meinen Kontostand zu denken, um die Unschuldsvermutung als vorläufige Hypothese zu akzeptieren.
    »Du könntest mal aufräumen und putzen«, sagte Franka.
    »Meine Putzfrau hat Urlaub.«
    »Oder dir eine neue Assistentin zulegen.«
    »Kein Geld.«
    Seitdem Franka nicht mehr bei mir arbeitete, hatte ich die allgemeine Sauberkeit und Ordnung in meinem Büro etwas schleifen lassen. Jetzt, wo sie es sagte, fiel mir auch auf, dass daran dringend etwas geändert werden musste. In den Ecken tanzten die Wollmäuse, auf dem zweiten, unbenutzten Schreibtisch stapelten sich ungeöffnete Briefe und über allem lag die Patina einer wochenalten Staubschicht. In einem solchen Büro vermutete man eher einen schmierigen, alten Schnüffler als einen kompetenten, dynamischen Privatdetektiv. Ich nahm mir vor, mich in den nächsten Tagen darum zu kümmern.
    Bei Franka war die Entwicklung in die entgegengesetzte Richtung verlaufen. Aus dem ehemaligen Punk-Mädchen mit zerrissenen Jeans und verfilzten, bunten Haaren war eine gut gekleidete junge Frau geworden. Zu den teuren Markenjeans trug sie ein ebenso teures, leichtes Sommerjackett, das Haar fiel im lockeren Pagenschnitt über die Ohren und am Ringfinger ihrer linken Hand glänzte ein schmaler Diamantring. Sie sah schlanker, drahtiger, energischer, mit einem Wort: erfolgreicher aus als
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