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Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor

Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor

Titel: Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor
Autoren: Juergen Kehrer
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Holzbänken.
    »Du scheinst dich gar nicht zu freuen«, meinte Franka, nachdem wir eine Weile dem plätschernden Wasser, den dümpelnden Schiffen und den Menschen an den Nebentischen zugeschaut hatten. Zurzeit waren Cocktails in Mode, die Sex am Hafen und Safer Sex hießen.
    »Was?«, schreckte ich aus meinen Gedanken auf.
    »Denkst du schon wieder an Marie?«
    »Nein, im Moment nicht. Oder nur indirekt.«
    »Was heißt das?«
    »Das sage ich dir lieber nicht. Sonst hältst du mich noch für verrückt.«
    »Das tue ich doch sowieso«, lächelte Franka.

XIV

    Hiddingsel hatte keine Probleme mit dem Durchgangsverkehr, denn es gab praktisch keinen. Wer nach Hiddingsel kam, wollte oder musste dorthin. Es lag im südlichen Münsterland, in der Nähe von Buldern, das zwar auch kein urbanes Zentrum war, aber immerhin über Anschlüsse an eine Bundesstraße und ans Schienennetz verfügte. Hiddingsel besaß nichts von alledem, nur eine große Kirche und viele kleine Häuser.
    Margrit Baumann wohnte in einem Haus, das noch kleiner war als die anderen, kaum fünf Meter breit und von den beiden größeren Nachbarexemplaren optisch erdrückt. Ordentlich und gepflegt sah es trotzdem aus, ungepflegte Häuser wurden in Hiddingsel vermutlich sofort gesprengt.
    Margrit Baumann hatte sich ihrem Haus angepasst, sie war klein, ein bisschen kugelig und trug ein wasch- und wetterfestes Kleid zu einer Rundum-sorglos-Frisur.
    »Ja?«, fragte sie skeptisch. Fremde kamen selten nach Hiddingsel.
    Ich stellte mich vor, sagte, dass ich Privatdetektiv sei, im Mordfall Kaiser ermitteln würde und mit ihrer Tochter gesprochen hätte.
    »Viola hat mich gestern Abend angerufen. Wolfgang ...« Sie schüttelte in stummer Verzweiflung den Kopf.
    »... sitzt in Untersuchungshaft«, beendete ich ihren Satz. »Aber vielleicht hat die Polizei den Falschen erwischt.«
    Baumann machte große Augen. »Sie denken, die Polizei irrt sich?«
    »Ja, das halte ich für möglich.« Ich schaute demonstrativ nach links und rechts. »Können wir drinnen weiterreden?«
    »Ich weiß nicht«, sie drehte sich unsicher um, »ich habe noch nicht aufgeräumt.«
    »Ich werde ein Auge zudrücken«, versprach ich.
    Sie brachte mich in ein kleines Wohnzimmer, das so aussah, als würde es, abgesehen von Weihnachten, Ostern und Familiengeburtstagen, nie benutzt, ein lebloser Raum mit dem Charme eines Museums. Der Zustand der Unaufgeräumtheit erschöpfte sich wohl darin, dass seit drei Tagen die Nippesfiguren nicht mehr abgestaubt worden waren. Wie ich Margrit Baumann einschätzte, hielt sie sich vorzugsweise in der Küche auf. Dort standen wahrscheinlich ein Fernseher und ein gemütliches Sofa.
    »Ich verstehe nicht, warum Sie zu mir kommen«, sagte Baumann, nachdem wir uns gesetzt hatten. »Ich würde Wolfgang ja gerne helfen. Aber wie?«
    »Indem Sie mir eine Frage beantworten«, erwiderte ich. Ich lehnte mich zurück und ließ sie schmoren.
    Sie klapperte mit den Augen und knetete ihre geschwollenen Finger. »Und welche?«
    »Wer ist der Vater von Viola?«, fragte ich.
    Die Frage wirkte wie ein Kälteschock. Baumann bewegte nichts mehr, weder die Augen noch die Finger. Ich bereute fast, gefragt zu haben, denn auch von einer Atmung war nichts mehr zu erkennen.
    »Frau Baumann?«, fragte ich besorgt.
    »Gehen Sie!«, kam es dumpf aus dem rundlichen Körper. »Verschwinden Sie aus meinem Haus!«
    Ich war froh, dass sie noch lebte.
    »Haben Sie mich nicht verstanden?« Sie wurde lauter.
    »Doch, ich habe Sie verstanden«, sagte ich, nun auch etwas forscher. »Aber es geht hier nicht um Familiengeheimnisse. Es geht darum, dass ein Mensch unter Umständen für den Rest seines Lebens wegen eines Mordes ins Gefängnis kommt, den er nicht begangen hat.«
    »Damit habe ich nichts zu tun.«
    »Ich verstehe auch, dass es schwer für Sie war«, fuhr ich freundlich fort. »In einem Dorf wie Hiddingsel, wo jeder jeden kennt und sich alle übereinander das Maul zerreißen. Heute wäre es wahrscheinlich keine Katastrophe, aber Ende der Sechzigerjahre war es eine Schande, ein uneheliches Kind zur Welt zu bringen. Hat der Pfarrer Ihnen überhaupt noch die Kommunion erteilt?«
    Sie antwortete nicht, allerdings schimmerten ihre Augen feucht.
    »Warum sind Sie nicht weggegangen?«
    »Wo sollte ich denn hin?«, stieß sie empört aus. »Das hier ist mein Zuhause.«
    »Allen war klar, dass ein Mann aus dem Dorf der Vater sein musste«, redete ich weiter. »Deshalb haben Sie geschwiegen, über dreißig
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