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Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Titel: Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer
Autoren: Juergen Kehrer
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aufgeweckter Okkultist. Ich stutzte, ließ meinen Blick zurückwandern und nahm ein Buch heraus. »Der König der letzten Tage« von Barret und Gurgand. { 1 } Auf dem Umschlag ein arroganter Wichtigtuer auf einem Thron, umkreist von graumäusigen Jüngern. Der Roman der Wiedertäufer zu Münster, lautete der Untertitel. Das konnte ein Zufall sein, oder auch nicht.
    »Wir unterbrechen die Sendung für eine wichtige Nachricht«, quäkte eine aufgeregte Stimme aus dem Gettoblaster. »In der Innenstadt von Münster hat es einen Anschlag gegeben. Nach Informationen der Polizei haben Unbekannte versucht, in die katholische Bistumsbank einzubrechen. Dabei kam es zu einer Detonation. Allem Anschein nach gab es keine Toten oder Verletzten. Ein Team von Radio Münster ist bereits auf dem Weg zum Tatort. In wenigen Minuten erwarten wir einen ersten Bericht. Bis dahin …«
    Ich stürzte die Wendeltreppe hinunter.
    Sie stand am unteren Ende. »Haben Sie etwas gefunden?«
    »Nein. Ich muss nur schnell weg. Aber vielleicht komme ich noch einmal vorbei.«
    »Rufen Sie mich vorher an!«, schrie sie mir nach. »Ich bin oft unterwegs.«
    Die Bistumsbank liegt, man ahnt es bereits, im Schatten des Domes, anderthalb stramme Fußminuten vom Domplatz entfernt. Immerhin, das Gebäude ist kein ehemaliges Kloster, sondern ein Neubau im münsterschen Backsteinkonfektionsstil, und im Inneren werden auch keine Ablassbriefe verkauft, sondern Aktien und Kommunalobligationen.
    Stürzenbecher stapfte durch die glasübersäte Halle wie ein Fakir nach einem misslungenen Selbstversuch. Als er mich sah, gab er den Polizisten am Eingang die Order, mich durchzulassen.
    »Guck dir diese Schweinerei an! Das waren bestimmt deine Freunde.«
    » Meine Freunde haben nichts gegen Glasscheiben.«
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Zum Glück befand sich niemand in der unteren Etage, als der Knallfrosch explodierte. Er ist in einem Abfallbehälter deponiert worden. Der Zeitzünder war so eingestellt, dass er in der Mittagspause hochging.« Stürzenbecher leckte sich über die Lippen. »Die wollten gar kein Geld klauen. Die wollten nur ein bisschen Budenzauber veranstalten.« Er guckte mich fragend an.
    »Erwartest du von mir eine Erklärung?«
    »Warum nicht? Bankräuber, die sich nicht für Geld interessieren, sind für mich unbekannte Wesen.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Da kann ich nur Che Guevara zitieren. Der sagte bei seiner Amtseinführung als Finanzminister: ›Das Einzige, was ich von Geld weiß, ist, dass es abgeschafft werden sollte.‹«
    Stürzenbecher glotzte mich an, als wäre ich ein BSE-Rind. »Willst du mich verarschen?«
    Ich seufzte. »Die Leute, die das machen, haben etwas gegen die Kirche. Das ist meine Erklärung.«
    Wie aufs Stichwort rauschten Weihbischof Becker und Monsignore Kratz herein. An der Absperrung vor dem Bankeingang gab es einen kleinen Tumult. Einige Reporter hatten versucht, sich zusammen mit den Geistlichen durch die Polizeikette zu mogeln. Unter ihnen erkannte ich auch Tobias Frank, der seinen Fotoapparat über dem Kopf hielt.
    Weihbischof Becker schien mächtig erregt zu sein. Sein weißes Haar stand wirr nach oben, und das Kinn zitterte leicht. »Wer hat hier das Kommando?«, donnerte er.
    »Ich«, meldete sich Stürzenbecher.
    Becker fasste ihn streng ins Auge. »Sind Sie Stürzenbecher?«
    Der Hauptkommissar gab es zu.
    »Dann sind Sie für diesen Schlamassel verantwortlich.«
    Stürzenbecher wurde noch bleicher, als er ohnehin schon war. »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Dieser Mann hier …«, Beckers Pranke landete auf meiner Schulter und drückte mich zwei Zentimeter nach unten, »… arbeitet in unserem Auftrag. Wenn Sie sein Telefon nicht abgehört hätten, wäre es vielleicht schon längst zu einer Einigung mit den Missetätern gekommen.«
    Stürzenbecher war konsterniert. »Sie wollen auf eine Erpressung eingehen?«
    Becker zog die Schachtel Marlboro aus der Tasche und steckte sich, ohne Kratz eines Blickes zu würdigen, einen Glimmstängel zwischen die wulstigen Lippen. Die erste Rauchwolke bekam Stürzenbecher ab. »Nennen Sie es, wie Sie wollen. Ich rate Ihnen dringend, Herrn Wilsberg nicht weiter zu beobachten oder zu verfolgen. Er muss sich vollkommen frei bewegen können.«
    »Aber …«, stammelte Stürzenbecher fassungslos.
    Mit alttestamentarischem Zorn grollte der Weihbischof: »Was die Kirche macht und was sie nicht macht, geht die Polizeikräfte dieser Stadt nichts an. Oder wollen Sie
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