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Willkür

Willkür

Titel: Willkür
Autoren: Gary Disher
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Fingerbreit Wodka war noch übrig, er hob die Flasche und trank ihn auf das Wohl aller Quiche-Fresser und Scheißliberalen in ihren schmucken Häusern mit den Blechbüchsen davor. Er lebte ein gefährliches Doppelleben und sie merkten nicht einmal, wenn man ihnen Feuer unterm Arsch machte.

    EINUNDVIERZIG

    Wyatt langte hinüber und schaltete die Lampe aus. Er konzentrierte sich auf die Schritte: ihr Knirschen auf dem Kiesweg, dann ein feines Klackern auf dem Beton des Abstellplatzes für die Autos. Stille. Die blinkende Anzeige auf Rossiters Videorecorder zeigte 02.40 Uhr. Vier Stunden bis Sonnenaufgang am Tag zwölf der ›Operation Mesic‹ und Wyatt war seinem Geld keinen Schritt näher gekommen.
    Er schlich nach hinten, in den trostlosen Teil des Hauses. Der eisenharte, kalte Betonboden schien seinem Körper alle Wärme zu entziehen. Als er auf die Hintertür zusteuerte, tauchten dort die Umrisse einer korpulenten Gestalt auf. Er schlüpfte in die eiskalte Waschküche und ließ die Person ungehindert vorbeigehen, schlüpfte wieder hinaus und folgte ihr. Geruch, Umrisse, eine gewisse Unsicherheit — dass einiges an dem Eindringling ihn zu Recht stutzig machte, bestätigte sich, als das Licht in der Küche anging.
    »Eileen«, sagte er.
    Sie drehte sich erschrocken um und schlug sich vor die Brust. »Oh Gott, ich hab’s gewusst.«
    »Bist du allein?«
    Sie wich zurück und tastete hinter sich nach einem Stuhl. Ihre Bewegungen waren die eines von Erschöpfung und Mutlosigkeit zermürbten Menschen. »Selbstverständlich bin ich allein.«
    »Und das Geld hast du mit deinem Kumpel, dem Cop, geteilt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ist es Napper gewesen? Eigentlich war’s mir klar, als Ross mir erzählt hat, dass dein Partner angeschossen wurde.« Sie sah ihn an. »Ich dachte, es würde ihm nur um deine Festnahme gehen.«
    »Meinst du, das ändert irgendwas? Egal wie, Eileen, du hast mich ans Messer geliefert.«
    Noch vor einer Stunde war Wyatt fest entschlossen gewesen, die Rossiters zu töten. Seine Art, mit Leuten zu verfahren, die ihn verpfiffen. Doch in diesem Augenblick sah er nur ihr Elend und die hilflosen Versuche, dem zu entrinnen. Sie folgten den Gesetzen der Familie, etwas, was Wyatt völlig fremd war. Er wusste nur, dass diese Gesetze bindend waren, unheimlich bindend, und dass sie niemals für ihn gegolten hatten. Die Rossiters waren dumm und gefährlich, doch meistens richtete sich das nur gegen sie. Sie würden sich immer wieder selbst ein Bein stellen. Den Ausschlag, seinen Entschluss zu revidieren, gab jedoch etwas ganz anderes. Er musste in dieser Stadt weiter arbeiten können. Sollte er Rossiter, Eileen und den Sohn umlegen, würde das wie die Tat eines völlig Durchgeknallten aussehen, er wäre ein Mad Dog und man würde ihn als solchen behandeln.
    »Weshalb bist du zurückgekommen?«
    Eileen ließ sich geschlagen auf einen Stuhl fallen. »Der Wagen hat gestreikt.«
    Ein treffenderes Bild für die Rossiters konnte es nicht geben. Wyatt richtete die Mündung der Waffe nach unten. Die Bewegung entging ihr nicht. »Worauf wartest du? Bringen wir’s endlich hinter uns.«
    Er überging ihre Bemerkung. »Wo hast du dich mit diesem Cop getroffen?«
    Sie wich seinem Blick aus und er spürte ihre Scham. »In seinem Apartment.«
    »Bring mich hin.«
    Eileen kramte in ihrer Geldbörse. »Hier, ich schreib’s dir auf.«
    »Mir wird er nicht mal öffnen, Eileen. Du bist meine Eintrittskarte.«
    »Bist du das, Eileen?«, rief Rossiter aus dem Wohnzimmer.
    Sie ignorierten ihn. Wyatt bewegte die .38er. »Steh auf.«
    »Nein.«
    »Eileen, bist du das?«
    »Ja, und halt endlich das Maul!«, schrie sie, um ihre Stimme im selben Moment wieder zu senken. »Warum sollte ich? Ich bin draußen.«
    »Eileen, du bist eine Schwachstelle in seiner Kalkulation. Früher oder später wird er das erkennen.« Er sprach mit ihr wie mit einem Kind.
    »Na dann knall mich ab und ich bin keine mehr. Mir ist das egal.«
    »Aber Niall ist dir doch nicht egal. Napper wird sich erst sicher fühlen, wenn er euch alle drei erledigt hat. Wir sind ihm noch einen Schritt voraus. Das sollten wir ausnutzen und ihm zuvorkommen.«
    Sie erwiderte nichts, stand auf und Wyatt folgte ihr zur Hintertür. Rossiter rief ihnen hinterher. Als sie am Haus vorbei zur Straße gingen, hörten sie ihn nochmals rufen. Draußen, auf dem Gehweg, blieb Eileen stehen; sie wirkte wie benommen und ließ sich von Wyatt zu Ounsteds Peugeot bringen. Nachdem sie
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