Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Willkür

Willkür

Titel: Willkür
Autoren: Gary Disher
Vom Netzwerk:
stutzte. Das Glas auf halber Höhe zu seinem Mund, vergaß er sogar daraus zu trinken. Das war doch eindeutig ein Widerspruch! Er versaute Roxanne, obwohl er nie Zeit mit ihr verbrachte? Blöde Kuh! Er musste unbedingt vermeiden, dass Josie Wind von dem Geld bekam.
    Langsam dämmerte ihm, dass diese zweihundertneuntausend Dollar eigentlich ein Schiss waren. Anwaltskosten, Unterhaltszahlungen an Josie und Roxanne, ein Ersatz für seine Schrottmühle, ohne Löcher im Boden, ein schöneres Haus, dann die Schulden beim Buchmacher — meine Güte, am Ende des Jahres könnte alles aufgebraucht sein.
    Er kippte den Wodka hinunter, goss sich nach und verteilte das Geld großzügiger auf dem Bett. Doch dann musste er über sich selbst lachen. Es waren eben nur zweihundertneuntausend Dollar, egal, wie großflächig er es auch ausbreitete. Napper stellte das Glas ab, stand auf und beugte sich nach vorn, hob jeden einzelnen Zwanziger, Fünfziger und Hunderter auf, bündelte sie und stopfte sie zurück in die Tasche. Er zog den Reißverschluss zu und jetzt saß er da, die Tasche auf seinem Schoß. Sie fühlte sich so angenehm schwer an. Napper hatte sich vorhin die Hosen ausgezogen, um seine geschundenen Beine einzucremen. Jetzt trug er nur seinen Frottierbademantel und er genoss das Gefühl von Nacktheit und er genoss die Vorstellung von seinem Schwanz so dicht an diesem ganzen Schotter.
    Sein Blick wanderte durch das Zimmer. Unters Bett passte die Tasche nicht, auch nicht in den Schrank, unten, wo die schmutzige Wäsche lag, ebenso wenig in die Kommode zu seinen Socken. Weder die Küche noch die Schränke im Badezimmer, auch nicht der Platz hinter seiner Willie-Nelson-Sammlung erschienen ihm geeignet. So, mehr hatte seine klägliche Bude nicht zu bieten. Ließe er das Geld in der Wohnung, lebte er in ständiger Furcht vor Einbrechern. Wenn er die Tasche mitnähme, hätte er auch keine ruhige Minute, weil er sich überall von Straßenräubern umzingelt sähe.
    Zum Teufel, heute Nacht würde niemand einbrechen, schon gar nicht, wenn er da war. Morgen würde er das Geld auf verschiedene Bankkonten verteilen. Zwanzig Konten mit jeweils neuntausendneunhundertneunzig Dollar um die Mitteilungspflicht der Banken zu umgehen, die alle Einlagen ab zehntausend Dollar melden mussten. Himmel, gab es überhaupt so viele Banken? Es würde ihn Tage kosten, das Geld unterzubringen. Eine leise Angst kroch in ihm hoch. Er hatte Geld, doch wohin damit? Was sollte er anstellen, damit es ihm auch blieb?
    Eine Befürchtung zog die Nächste nach sich, und die setzte ihm anständig zu. Es waren keine Einbrecher, die er fürchten musste, keine Straßenräuber, es war die Geschichte, die er heute Nacht angefangen, aber nicht zu Ende gebracht hatte. Es war ihm nicht gelungen, Wyatt und Jardine auszuschalten. Den einen hatte er angeschossen, den anderen nur kurzzeitig außer Gefecht gesetzt. Alles in Panik und wenig nachhaltig. Wie sie die Sache wohl sahen? Napper wusste aus Erfahrung, dass Kriminelle sich ständig gegenseitig aufs Kreuz legten. Wenn er Glück hatte, würden die beiden Überlegungen in diese Richtung anstellen. Andererseits waren sie nicht dumm. Sie würden die durchgehen, die von dem Job Kenntnis hatten. Und Eileen konnte keinem großen Druck standhalten, sie würde schnell anfangen zu quatschen.
    Napper sah auf seine Hände. Sie zitterten, entweder aus Furcht oder wegen der Drinks, vielleicht wegen beidem. Er schob sie unter seine Achseln und schaukelte wieder vor und zurück. Er musste nachdenken. Sollte er irgendwie aktiv werden? Sollte er versuchen, herauszufinden, wie die Geschichte weitergegangen ist? Zurück nach Northcote, ins Haus, konnte er nicht. Aber er könnte die Notaufnahmen anrufen, die Mordkommission oder die Jungs vom Revier in Northcote. Andererseits gäbe es dann auch Fragen, die Kollegen würden wissen wollen, wer er sei und weshalb er sich so brennend für einen Mann mit einer Schussverletzung interessiere.
    Blieben nur die Rossiters. Brächte er sie zum Schweigen, verlöre sich seine Spur und Wyatt und Jardine würden ihn niemals finden. Nur die Mesics wussten noch, dass er seine Hände im Spiel hatte, doch die glaubten, er sei draußen. Napper kicherte. Haben sich eingebildet, sie könnten ihn so einfach loswerden. Haben geglaubt, er würde sich mit ihren lausigen zweieinhalb Riesen zufrieden geben. Hat sich verrechnet, die Bande. Er war aufs Ganze gegangen, hatte abgewartet, was heute Nacht für ihn noch zu holen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher