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Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)

Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)
Autoren: Pippa Wright
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so verzweifelt in mich verknallt.
    Passiert Ihnen so was etwa? Denn als meine Handtasche auf dem Gehsteig landete, waren die einzigen Männer, die herbeieilten, hinter meiner Brieftasche her und
keineswegs ganz wild darauf, mich zu heiraten. Klar, ich wohne ja auch in Peckham. Jeden Tag trage ich saubere Unterwäsche, und mein Arzt hat mir noch nie seine unsterbliche Liebe gestanden. Aber der ist ein asiatischer Gentleman über fünfzig und etwa eins fünfzig groß, also wäre das vermutlich gar nicht so erstrebenswert. Und bei der Gelegenheit sollte ich vielleicht erwähnen, dass meine beiden Bosse Frauen sind. Falls ich wirklich auf so etwas scharf wäre, hoffe ich doch, dass ich höhere Maßstäbe anlegen würde. Besonders, was Jemima betrifft.
    Unwillkürlich frage ich mich, ob ich mit solch hinreißender Schusseligkeit meine Rechnungen zahlen könnte. Meine Chefinnen wollen jedenfalls nur wissen, ob ich das Auto mit den getönten Scheiben für Alice Mannerings Fototermin um elf bestellt habe. Wie süß und nett ich dabei war, kümmert die beiden nicht. Erklären Sie mir mal, wie diese charmant-chaotischen Romanheldinnen in einer Welt funktionieren, in der Rechnungen bezahlt, Chefinnen besänftigt und Termine eingehalten werden müssen? Wandert ihre Schmutzwäsche aus eigenem Antrieb in die Waschmaschine, während sie woanders herumalbern? Füttert sich ihre Katze selbst? (Alle haben Katzen, weil sie Singles sind, klar, oder?) Ich meine, manchmal ist es ein Fulltime-Job, allein schon das Alltagsleben zu meistern; also, wie kommen diese Kindfrauen außerhalb von Buchseiten zurecht?
    Endlich bewegt sich der Zug wieder und schleicht zum Bahnsteig, an dem wir uns alle aus dem Waggon und in die Bahnhofshalle drängen. Weil ich mir schlauerweise immer einen Platz bei einer Tür aussuche, bin ich am Tor mit der Fahrkartenkontrolle, bevor die Pendlermassen dort eintreffen
und alles verstopfen. Während ich ungehindert hindurchgleite, schaue ich zurück und entdecke die blonde Romanleserin mitten im Getümmel. Die dicke Zeitungsleserin schiebt sich an ihr vorbei, Blondie lässt ihre Handtasche fallen, und der Inhalt ergießt sich auf den Bahnsteig. Prompt eilt ihr der rothaarige Mr Tweed zur Hilfe, und sie lächelt ihn liebreizend an. Eine Konversation beginnt. Offensichtlich sind die beiden total bescheuert, und sie verdienen einander.

2
    Um halb neun bin ich immer im Büro. Carter & Morgan PR macht offiziell erst um neun auf. Aber ich nehme mir gern Zeit, um mich zu organisieren, wenn der Tag anfängt. Computer einschalten, telefonische Nachrichten abhören, Post öffnen, Einladungen beantworten und die Liste für die Termine dieses Tages bereitlegen, bevor Camilla Carter auftaucht. Die anderen Angestellten tanzen erst lange nach neun an, pressen die Hände an ihre Schläfen, schneiden Grimassen und jammern scherzhaft über zu kurze Nächte und Katerqualen. Dann stehlen sie sich paarweise davon und schlendern zu Prêt , wo sie magenfreundliche Thunfischsandwiches, Kekse und Cola kaufen. Die Stille im Büro beruhigt mich. Keine Telefone klingeln, niemand schreit über die Trennwände hinweg. Diese Zeit brauche ich, um zu funktionieren, so wie andere Leute einen doppelten Espresso oder drei Tassen Tee benötigen. Ehrlich gesagt, ich könnte viel später eintreffen und hätte bis zu Camillas Ankunft immer noch eine halbe Stunde Zeit. Pünktlichkeit gehört nicht mehr zu ihren Stärken. Und so erwarte ich nicht, jemanden in ihrem Büro zu sehen, der sich über Schreibtischschubladen beugt und darin wühlt.
    Ich spähe durch die Tür. In diesem kurzen Rock, mit
den langen Beinen kann das unmöglich meine Chefin sein. Trotzdem rufe ich ganz laut, in möglichst scharfem Ton: »Camilla?«
    Es kracht, als sich die Person an der Unterseite des Schreibtisches den Kopf anschlägt. Sehr gut. Geschieht dir recht, Jemima Morgan.
    »Lizzy!«, jubelt sie, als wäre mein Anblick eine riesige, sogar höchst erfreuliche Überraschung. Als würde ich Camillas Geschäftspartnerin und sogenannte Freundin diese Woche nicht schon zum zweiten Mal ohne ersichtlichen Grund beim Rumschnüffeln in diesem Büro ertappen.
    Sie richtet sich auf und glättet ihren geföhnten Helm aus glänzendem schwarzem Haar. Weil es so präzise und stumpf geschnitten ist, erinnert es mich immer an die gemalten Haare einer Lego -Figur. Obwohl ich bezweifle, dass sie diesen Look anstrebt. Wahrscheinlich würden Sie sagen, sie wäre attraktiv, auf eine straffe, sehnige
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