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Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)

Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)
Autoren: Pippa Wright
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allein.
    Natürlich ist mir Dans eigenartiges Benehmen in meiner Gegenwart aufgefallen – vielleicht zum ersten Mal bei dem Comedy-Abend im Queen’s Arms. Damals war mir aufgefallen, wie er mich immer wieder ansah, wie groß er ist und dass ich meinen Kopf in den Nacken legen muss, um in sein Gesicht zu schauen, wie er den Kopf schief legt, wenn er mir zuhört, wie die dunklen Locken über seinen Augen hängen. An jenem Abend registrierte ich, wie er seine langen, starken Finger um den Bierbecher schlang. Das alles versuchte ich danach auszublenden, während ich eine Beziehung mit Randy mimte. Aber der Mann, der sich immer wieder wie ein echter Held verhielt, der mich verteidigte und rettete – war Dan.
    Lulu hatte recht – nicht nur, was Dans Gefühle für mich betraf, auch mit ihrer Behauptung, ich würde den Dingen nicht gestatten, sich zu ändern. Deshalb kam ich gar nicht auf die Idee, dass der Bruder meiner Freundin plötzlich mehr für mich sein könnte als eben das. Weil es sicherer war, ihn in der Schublade zu verwahren, die ich für ihn zurechtgezimmert hatte – brüderlich, ungefährlich. Sogar als
er offensichtlich herausklettern wollte. Da verlor ich mich lieber in einer Scheinbeziehung, statt etwas Großes, Echtes, Beängstigendes zu riskieren.
    Aber während ich meine Scheinbeziehung in der Hot Slebs zur Schau gestellt habe, hat Dan sich von mir abgewandt. Und jetzt habe ich ihn verloren. Nicht nur den potenziellen Partner, auch den Freund, der er bisher war. Ich habe nie gewürdigt, was für eine bedeutungsvolle Rolle er in meinem Leben spielt, wie wichtig mir seine verlässliche Anwesenheit im Hintergrund ist.
    Das heißt keineswegs, ich hätte erkannt, wie verzweifelt ich ihn liebe oder so ... Machen Sie sich nichts vor, wir reden hier von Dan. Aber ich begreife erst jetzt, dass ich ihn in meinem Leben haben möchte, als eigenständige Person, als meinen Freund Dan Miller, nicht nur als Lulus Bruder.
    Bisher habe ich ihm noch keine Karte geschickt. Obwohl ich Schreiben für eine sehr sinnvolle Sache halte – eine Karte wird nicht genügen, um Dans Freundschaft zurückzugewinnen. Aber es ist wenigstens ein Anfang. Ich werde ihm heute schreiben.
    Als ich den kleinen Schreibwarenladen in der Nähe der Fulham Road betrete, seufze ich glücklich. Ich habe schon immer Schreibwaren in all ihren Formen geliebt, von praktischen braunen Umschlägen aus Recyclingpapier bis zu wunderschönen selbst gemachten Karten aus kleinen Ateliers in San Francisco oder Notizbüchern für die Niederschrift tiefschürfender oder – noch besser – oberflächlicher Gedanken.
    Aber heute gehe ich an den Notizbüchern vorbei, an Geburtstags-, Glückwunsch-, Dankes- und Einladungskarten.
Neben geschmackvollen Beileidskarten finde ich einen Bereich, der Entschuldigungen gewidmet ist.
    »Sorry«, sagt ein trauriges junges Hündchen und blickt Mitleid erweckend von einem Fliesenboden mit verstreuten und halb verspeisten Spaghetti Bolognese auf. »Verzeih mir«, bettelt ein Oktopus zwischen Feder und Tinte und schlingt flehend seine Tentakel ineinander. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, auf welches Missgeschick mit Meeresfrüchten diese Karte hinweisen soll. In diesem Bereich herrschen Tierbilder vor. Vielleicht ist es einfacher, stumme Kreaturen sprechen zu lassen, als sich selbst zu entschuldigen.
    Erstaunlicherweise gibt es keine Karte mit einem Rugby-Thema. Auch keine, die eine Entschuldigung darüber ausdrückt, dass man einen Freund über die wahre Natur einer Scheinbeziehung mit einem berühmten Comedian und legendären Bumser im Unklaren gelassen hat. Wenn ich Dan ein kuscheliges Häschen oder süßes Hündchen zumute, müsste ich sofort eine zweite Karte hinterherschicken, um mich für meinen Humor zu entschuldigen.
    Schließlich entscheide ich mich für eine schlichte Karte mit einem einzigen Wort, schwarz auf weiß gedruckt – »Sorry«. Simpel, unmissverständlich, kein Gerede um den heißen Brei herum.
    So wie die Zeilen, die ich zu Hause schreibe.
    Dan, es tut mir so leid, dass ich Dir die Wahrheit über Randy Jones und mich verschwiegen habe. Ich fürchte, eine Zeit lang konnte ich nicht auseinanderhalten, was echt und was falsch war. Das ist keine Entschuldigung für die Lügengeschichten, die ich Dir erzählt habe – insbesondere, weil
Du Dir so viel Mühe gegeben hast, um mich vor Randy zu warnen. Hoffentlich verzeihst Du mir, und wir können wieder Freunde sein. Ich vermisse Dich,
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