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Will Trent 02 - Entsetzen

Will Trent 02 - Entsetzen

Titel: Will Trent 02 - Entsetzen
Autoren: Karin Slaughter
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anzusehen.
    Wenn der Mord eine professionelle Handschrift getragen oder auf etwas anderes hingewiesen hätte als lediglich auf einen simplen Einbruch, der aus dem Ruder gelaufen war, dann hätte Amanda nur einen Anruf gemacht und dem Atlanta Police Department den Fall schneller entrissen, als sich ein Kleinkind sein Lieblingsspielzeug zurückholt. Wenn dieser Fall nur eine x-beliebige, alltägliche Tragödie war, dann würde sie wahrscheinlich Will die Erklärungen überlassen, während sie in ihrem schicken Auto zur City Hall zurückfuhr.
    Amanda schaltete auf Vorwärts und rollte zentimeterweise nach vorn. Das Piepsen der Einparkhilfe wurde immer hektischer, je näher sie dem Streifenwagen kam. »Wenn Bentley jemanden so wütend gemacht hat, dass der seine Enkelin umbringt, dann erhält dieser Fall eine ganz andere Dimension.«
    Sie schien so etwas beinahe zu erhoffen. Will verstand ihre Aufregung - die Lösung dieses Falls wäre ein weiterer Pluspunkt auf Amandas Meritenkonto -, aber Will hoffte, er würde nie so weit kommen, dass er den Tod eines jungen Mädchens als Sprosse auf seiner Karriereleiter betrachtete. Außerdem wusste er auch nicht so recht, was er von dem toten Mann halten sollte. Er war ein Mörder, aber er war auch ein Opfer. Wenn man sich überlegte, dass die öffentliche Meinung in Georgia eher für die Todesstrafe war, machte es da wirklich etwas aus, dass er hier in Ansley Park erdrosselt worden war und nicht im Coastal State Prison auf eine Bahre geschnallt wurde und eine tödliche Injektion erhielt?
    Will öffnete die Tür, bevor Amanda auf Parken geschaltet hatte. Die heiße Luft traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube. Dann schlug die Feuchtigkeit zu, und er fragte sich, ob man sich so fühlte, wenn man Tuberkulose hatte. Dennoch zog er sein Sakko an, um das Pistolenhalfter zu verdecken, das hinten an seinem Gürtel klemmte. Nicht zum ersten Mal überlegte sich Will, ob es vernünftig war, mitten im August einen dreiteiligen Anzug zu tragen.
    Amanda schien von der Hitze völlig unberührt, als sie sich neben Will stellte. Eine Gruppe Uniformierter stand am Anfang der Auffahrt zusammen und sah zu, wie sie die Straße überquerten. Die Männer erkannten sie, und Amanda warnte Will: »Ich muss Ihnen wohl nicht sagen, dass wir im Augenblick beim Atlanta Police Department nicht gerade willkommen sind.«
    »Nein«, stimmte Will ihr zu. Einer der Beamten spuckte ostentativ auf den Boden, als sie an ihnen vorbeigingen. Ein anderer begnügte sich mit der subtileren Geste eines erhobenen Mittelfingers. Will klatschte sich ein Lächeln aufs Gesicht und präsentierte ihnen den hochgereckten Daumen, um ihnen zu zeigen, dass es keine Unstimmigkeiten gebe.
    Gleich an ihrem ersten Tag im Amt hatte Atlantas Bürgermeisterin geschworen, die Korruption auszurotten, die während der Amtszeit ihres Vorgängers wild ins Kraut geschossen war. In den letzten Jahren hatte sie eng mit dem GBI zusammengearbeitet, um Verfahren gegen die unverfrorensten Übeltäter eröffnen zu können. Amanda hatte sich gnädig dazu herabgelassen, Will in die Löwengrube zu schicken. Vor sechs Monaten hatte er eine Ermittlung abgeschlossen, in deren Folge sechs Detectives der Polizei von Atlanta entlassen wurden und eine der ranghöchsten Beamtinnen der Stadt in den vorzeitigen Ruhestand gezwungen wurde. Die Fälle waren solide - die Beamten hatten sich bei Drogenrazzien bereichert -, aber niemand gefiel es, wenn ein Fremder im eigenen Haus putzte, und Will hatte sich im Verlauf dieser Ermittlungen nicht gerade Freunde geschaffen.
    Amanda hatte dafür eine Beförderung bekommen. Will war zum Ausgestoßenen geworden.
    Er ignorierte das in seinem Rücken gezischte »Arschloch« und versuchte, sich auf das vorliegende Verbrechen zu konzentrieren, während sie die geschwungene Auffahrt hochgingen. Der Garten strotzte von exotisch aussehenden Blumen, deren Namen Will kaum kannte. Das Haus selbst war riesig, stattliche Säulen stützten einen Balkon im ersten Stock, eine geschwungene Doppeltreppe aus Granit führte zum Hauptportal. Abgesehen von den mürrisch dreinblickenden Polizisten, die den Anblick verunzierten, war es ein beeindruckendes Anwesen.
    »Trent«, rief jemand, und er sah Detective Leo Donnelly die Treppe herunterkommen. Leo war klein, mindestens dreißig Zentimeter kürzer als Will mit seinen eins achtundachtzig. Seit ihrer letzten Zusammenarbeit hatte er sich einen anderen Gang angewöhnt, jetzt schlurfte er schwankend,
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