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Wilhelm II.

Wilhelm II.

Titel: Wilhelm II.
Autoren: C.H.Beck
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anglophoben Admirälen. Ein solcher Herrscher war jedoch gleichzeitig in bedenklichem Maße für Hintertreppeneinflüsterungen seiner ihn anhimmelnden Günstlinge empfänglich. Schon in der Kindheit und Jugendzeit wurden somit die Weichen gestellt,die zum Konflikt mit den Eltern, mit den Bismarcks, mit den unaufhaltsam aufstrebenden demokratischen Kräften Deutschlands und letztendlich auch mit der ozeanischen Weltmacht Großbritannien als Garant des obwaltenden europäischen Staatensystems führen sollten.
Der Konflikt mit den Eltern
    Nach den Torturen der Mediziner und den Überforderungen der Hinzpeterschen Zucht empfand der Preußenprinz das unbeschwerte Dasein als Student an der Universität Bonn (1877–79) und erst recht das Leben als Offizier in den Potsdamer Garderegimentern wie das Paradies. Er hatte überlebt! Umworben von seinen adeligen Kommilitonen im Corps Borussia und geschmeichelt von seinen soldatischen Kameraden und Vorgesetzten, teilte der junge Thronerbe die borussisch-nationalistische und militaristische Begeisterung seiner neuen Umwelt vollauf. Als Hohenzollernprinz wurde er standesgemäß befördert: 1880 zum Hauptmann, 1883 zum Battaillonskommandeur im Ersten Garde-Regiment, 1885 zum Obersten und Kommandeur des Garde-Husaren-Regiments. Potsdam sei sein «el dorado», erinnerte er sich später; unter seinen Regimentskameraden habe er seine Familie, seine Freunde, seine Interessen gefunden – alles, was er früher vermißt hatte. Vorbei waren die «schrecklichen Jahre, in denen niemand meine Individualität verstand». Die Kronprinzessin erschrak über den «Feuereifer», mit dem sich ihr Sohn seinem Militärdienst widmete. Er sei «chauvinistisch und ultra-preußisch zu einem Grade und mit einer Gewalt, die für mich oft sehr schmerzlich ist». Der liberale österreichisch-ungarische Kronprinz Rudolf stellte 1883 verblüfft fest, daß «Prinz Wilhelm trotz seiner Jugend ein hartgesottener Junker und Reaktionär» geworden sei. Seine Ansichten waren jetzt schon das gerade Gegenteil von dem, was die Eltern mit ihrer aufgeklärten Erziehung hatten erreichen wollen.
    Die Kronprinzessin setzte auf eine letzte Karte, um sich den Einfluß auf ihren Sohn doch noch zu sichern – die Wahl seiner Braut. Sie redete ihm seinen Wunsch aus, seine Kusine Elisabeth (Ella) von Hessen-Darmstadt zu heiraten, wohl weil in derFamilie ihrer Schwester Alice, der Gemahlin des Großherzogs, die tödliche Bluterkrankheit Hämophilie grassierte. Statt dessen schlug sie ihm eine der beiden älteren Töchter des 1864 durch preußische und österreichische Truppen abgesetzten Herzogs Friedrich von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg vor – einer Familie, die durch Heirat und Freundschaft ebenfalls mit dem englischen Königshaus verbunden war, aber in Berliner Hofkreisen als unebenbürtig galt und deren Wahl vor allem bei Kaiser Wilhelm I. auf heftigen Widerstand stoßen mußte. Wilhelms Heirat mit Prinzessin Auguste Viktoria (Dona) von Schleswig-Holstein, die am 27. Februar 1881 in der Berliner Schloßkapelle zelebriert wurde, brachte tatsächlich weder die von den Eltern erhoffte Wende in der politischen Haltung des Prinzen noch diesem viel häusliches Glück, trotz der Geburt von sechs Söhnen und einer Tochter. Dona entpuppte sich nicht als liberales, anglophiles Gegengewicht zur reaktionären Berliner Hofclique, sondern als steife, engstirnige, rigoros-orthodoxe, stockkonservative Lebensgefährtin, krankhaft überempfindlich bedacht auf ihre neue königliche und alsbald kaiserliche Würde. In späteren Jahren weinte sich Wilhelm bei einem Freund mit den Worten aus: «Sie ist eine brave Frau, aber schrecklich. […] Sie glaubt sich immer was zu vergeben und ist immer nur steif mit allen Leuten. […] Du machst Dir keinen Begriff, was ich darunter zu leiden habe.»
    Als ungestümer Husarenoberst ließ sich Prinz Wilhelm auch nicht durch die Konventionen einer christlich-bürgerlichen Ehe einschränken. Seit den frühen 1880er Jahren verkehrte er mit der Elsässerin Emilie Klopp, genannt Miss Love, die er später in Potsdam als Mätresse installierte. Durch den Besitz von Briefen sowie unter der Vorspiegelung, eine Tochter von Wilhelm geboren zu haben, konnte Miss Love erhebliche Summen erpressen – die Bismarcks kauften Wilhelms Liebesbriefe auf und mokierten sich über einige der darin geschilderten sonderbaren Intimitäten. Gemeinsam mit Kronprinz Rudolf besuchte Wilhelm in Wien das Bordell der Kupplerin
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