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Wilhelm II.

Wilhelm II.

Titel: Wilhelm II.
Autoren: C.H.Beck
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Wolf, wo er die Bekanntschaft zweier Frauen, Ella Sommssichs und Anna Homolatschs, machte, die später ebenfalls abgefunden werden mußten: Ella war jahrelang seine Geliebte gewesen, und Anna gebar ihm eineTochter. Eine vierte mit ihm liierte Frau, Elisabeth Bérard, geschiedene Gräfin Wedel, hatte das Pech, einige der Liebesbriefe zu verlieren, die sie von Wilhelm empfangen hatte, wofür sie ihr Leben lang von den Agenten des Hofes verfolgt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die Kaiserbriefe in Teheran ans Licht. Sie wurden faksimiliert in der deutschen Boulevardpresse abgedruckt und waren nachweislich authentisch.
    Wilhelms Heirat mit Dona brachte also weder eine Besserung in den Beziehungen zu seinen Eltern noch den von ihnen erhofften Umschwung in seinen politischen Ansichten. Im Gegenteil, lange vor der fatalen Krebserkrankung seines Vaters kam es mehrmals zu schrecklichen Auseinandersetzungen zwischen ihm und dem Kronprinzenpaar, die zunehmend den Charakter einer drohenden Usurpation trugen. Weinend klagte Wilhelms Mutter, sie habe doch «so viel Fürsorge und Liebe und Zuneigung und Zeit» für ihren «ungezogenen» Sohn aufgebracht, der sich jetzt rühme, «der Liebling seines Großvaters und des Fürsten B[ismarck] zu sein», und sich benehme, als sei er der Anführer der Junker und der reaktionären Kreuzzeitungspartei. Wilhelm sei «hochnäsig, eingebildet, eitel, engstirnig, frech und ach – so ignorant!» Nicht weniger empörte sich der Vater darüber, daß Wilhelm «vor Egoismus sich nicht zu lassen weiß»; sein «unberechenbarer Mangel an Takt» sei «ganz entsetzlich»; er habe absolut «kein fürstliches savoire faire». Der Kronprinz beschimpfte seinen Sohn sogar öffentlich als unreifen, urteilslosen Menschen. Solche Szenen waren Ausdruck der Angst, die Friedrich Wilhelm damals bereits vor seinem Sohn empfand.
    In der Tat arbeitete der junge Prinz, angefeuert von dem erzreaktionären, kriegsbesessenen und antisemitischen Stellvertretenden Generalstabschef, Graf Alfred von Waldersee, darauf hin, daß seine Eltern in der Thronfolge übersprungen werden oder wenigstens eine Trennung seines Vaters von seiner Mutter erfolgen sollte! Wie Waldersee bereits im Frühsommer 1884 feststellte, sei es Wilhelm «zu seinem Entsetzen allmählich klar geworden, daß seine Mutter nicht preußische Prinzeß geworden, sondern Engländerin geblieben ist, nicht allein in bezug auf Lebensweise u. Lebensanschauung, sondern innerlich, und namentlichauch politisch. Er weiß es, daß seine Mutter mit Bewußtsein für englische Interessen gegen preußische u. deutsche arbeitet! Bei seinem durchaus preußischen Gefühl kränkt ihn das tief und wird es ihm oft schwer seinem feurigen Temperament Zügel anzulegen.» Wilhelm äußerte sich in einer Weise, «als laure der Gedanke des Einsperrens [seiner Mutter] im Hintergrund», bemerkte auch der sprichwörtlich gutinformierte Geheimrat im Auswärtigen Amt, Friedrich von Holstein.
    Allmählich übernahm Prinz Wilhelm mit der Unterstützung seines von ihm vergötterten Großvaters die Rolle, die der immer mehr ins Abseits gedrängte Kronprinz als seine ureigene betrachtete. Vor allem die beiden Reisen des jungen Wilhelm zum Zaren Alexander III. nach St. Petersburg und Moskau 1884 und 1886, auf denen der Prinz seine Eltern, Queen Victoria und seinen Onkel, den Prinzen von Wales (den künftigen König Edward VII.), in bodenloser Weise denunzierte, empfand der nunmehr fünfundfünfzigjährige Thronfolger, sein Vater, als Demütigung. In geheimen Briefen an den Zaren setzte Wilhelm die Hetzkampagne gegen seine Eltern, das englische Königshaus und die englische Politik fort und nahm damit bereits unter dem mächtigen Bismarck die fatale «Willy-Nicky»-Korrespondenz mit Nikolaus II. vorweg, durch die er die Außenpolitik der nachfolgenden Reichskanzler durchkreuzen sollte. Zur Empörung der Eltern setzte der Prinz Ende 1886 seine Beschäftigung im Auswärtigen Amt durch, das von Bismarcks Sohn Herbert geleitet wurde.
    In dem bitteren Konflikt innerhalb der Hohenzollernfamilie läßt sich bereits jene Absonderung des preußisch-deutschen Bismarckreiches von den parlamentarisch regierten Ländern Nord-, West- und Südeuropas erahnen, die viele Historiker für den Schlüssel zum Verständnis auch späteren Unheils gehalten haben. Die Gedankenwelt des Prinzen Wilhelm an der Schwelle zur Thronbesteigung war von Kriegslust und Verachtung für Parlamente und politische Parteien –
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