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Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
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Prue.
    In Wirklichkeit hatte sie gar nicht im Café gesessen. Genauso wenig war sie »nicht ganz pünktlich« in der Schule gewesen. In Wahrheit wachte Prue McKeel, zwölf Jahre alt, manchmal in ihrem gemütlichen Bett im gemütlichen Haus ihrer gemütlichen Familie auf und spürte ein jähes und sehr starkes Zupfen . An diesen Tagen schleppte sie sich mühsam aus dem Bett und versuchte ihr Möglichstes, den gewohnten Abläufen ihres Alltags nachzugehen und dieses mysteriöse Zupfen nicht zu beachten. Aber manchmal schaffte sie es nur bis zu ihrem Fahrrad und fühlte sich plötzlich von dem Drang überwältigt, statt in die Schule genau in die entgegengesetzte Richtung zu fahren. Und das Zupfen wies ihr den Weg. Es zupfte sie die Lombard Street hinunter, zupfte sie an den gerade öffnenden Geschäften vorbei, es zupfte sie auf die Willamette Street und am College vorbei, bis das seltsame Zupfen sie samt Fahrrad auf dem Kliff zurückließ. Von dort aus konnte sie das riesige Waldgebiet jenseits des Flusses überblicken, das die Undurchdringliche Wildnis darstellte. Und dort blieb Prue dann den Großteil des Tages und starrte einfach nur diesen grünen Teppich an. Erinnerte sich. An solchen Tagen war allein die Vorstellung, in die Schule zu gehen, vollkommen indiskutabel.
    Ein Fingerschnippen. »Hal-lo?«, trällerte ihre Mutter. »Manchmal hat man echt das Gefühl, dein Gehirn wäre von Aliens entführt worden oder so was.«
    Ruhig sah Prue jedem der drei Erwachsenen in die Augen, einem nach dem anderen. »Mama«, sagte sie, »Paps, Miss Thennis – Verzeihung, Darla. Ich weiß zu schätzen, dass ihr mich auf eure Bedenken aufmerksam gemacht habt, und es tut mir leid, dass ich euch enttäuscht habe. Aber wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich möchte einen Spaziergang machen. Ich werde über alles nachdenken, was ihr gesagt habt.«
    Und damit stand sie auf, drehte sich auf dem Absatz um und verließ durch die Hintertür das Haus, in dem ihr drei verdutzte Erwachsene nachblickten.

ZWEI
    Der Bote ·
    Eine Industriewüste
    S ie bildeten eine merkwürdige Versammlung: Die zwei Jungen, die zwei Mädchen, der große Mann mit dem Zylinder, der dünne bärtige Mann im Kleid und die Ratte. In einer Reihe standen sie mitten auf der breiten, schneebedeckten Straße und beobachteten zwei Reiter, die auf sie zutrabten. Als die beiden sie erreicht hatten und abgestiegen waren, trat der Mann in dem Kleid vor.
    »Brendan«, grüßte er. Er zitterte sichtlich, und der Chiffon seines ausgefransten Gewandes kräuselte sich in der kühlen Brise. Die Schultern hatte er fröstelnd hochgezogen, die Arme vor der Brust verschränkt.
    »William«, erwiderte der andere Mann ernst und nickte knapp. Sein Kinn war von einem dichten Gewirr roter Barthaare bewachsen. Er trug eine ziemlich schmutzige Offiziersjacke und eine Reithose mit Flicken auf den Knien, und eine blauschwarze Tätowierung schlängelte sich an seiner Schläfe hinauf. Er musterte den frierenden Mann in dem lachsfarbenen Kleid eine Zeit lang, dann verzog er den Mund zu einem Grinsen. »Das Rosa«, sagte er, »das … steht dir wirklich gut.«
    Der Mann mit dem Zylinder lachte unterdrückt. Curtis, der genau hinter dem Räuber William stand, fiel mit ein, dafür handelte er sich einen strengen Blick von Brendan ein.
    »Wer hat gesagt, dass das lustig ist?«, blaffte dieser Curtis mit jetzt wieder ernster Miene an. Schlagartig verschwand das Lächeln vom Gesicht des Jungen. Der Wind war stärker geworden und wehte den Schnee nun quer über die Straße, und die kleinen Flocken klebten störrisch am Pelz von Curtis ’ Mütze.
    »Henry, William, zurück ins Lager.« Schnell machten sich der Mann mit dem Zylinder und der im Kleid aus dem Staub, letzterer etwas unbeholfen, bis er den Rocksaum über seine bleichen, behaarten Knie gerafft hatte. Brendan wandte sich an die übrigen Räuber. »Colm: Pass auf, dass du dein Pferd nicht überforderst. Du musst mehr Gefühl für dein Tier entwickeln.« Er hielt die in Lederhandschuhen steckenden Hände hoch, um seine Worte anschaulicher zu machen. »Halt die Zügel lockerer und spür die Anstrengung des Pferdes. Treib es nur an, wenn es geht.«
    »Ist gut, Brendan«, erwiderte Colm.
    »Und jetzt ab ins Lager mit dir. Das Schienbein von dem Pony muss mit Eis gekühlt werden. Für dich heißt es noch zwei Wochen Reittraining.« Brendan sah dem Jungen nach, als er auf das lahmende Pferd in einigem Abstand zurannte.
    Dann drehte er sich
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