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Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka
Autoren: Michaela Kuepper
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mich durch die Küche in die angrenzenden Räume vor, schalte überall das Licht ein und sehe mich misstrauisch um. Alles sieht normal aus. Am Unheimlichsten ist mir der Keller, dort steht allerdings das Bier, weshalb ich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen muss. Nachdem ich heldenhaft zwei Flaschen erobert habe, ohne dass mich Ernie von hinten überwältigt und niedergestreckt hat, deponiere ich das Honorar der Kaulquappe zwischen den Seiten der Grimmschen Märchen, gehe rüber in mein Büro und fahre den Rechner hoch. Ich google Familie Waskovic, entdecke allerdings nicht viel, was ich nicht bereits weiß.
    Die Kaulquappe finde ich auf einem Foto vom Weihnachtsbasar der Kirchengemeinde wieder sowie auf dem Gruppenbild der Jahresabschlussfeier des Eitorfer Tennisclubs. Einem Onlinebeitrag des Rhein-Sieg-Anzeigers entnehme ich außerdem, dass sie mal Schönheitskönigin von Saporischschja gewesen ist, und ich frage mich, ob sie da unten alle solche Hexenaugen haben. In dem Artikel ging es eigentlich um eine Spendenaktion für hungernde Zirkustiere, die die Kaulquappe unterstützte, und bei der Gelegenheit nutzte der Redakteur die Chance, auf ihre von exotischem Glanz angehauchte Vergangenheit hinzuweisen.
    Über Waskovic selbst finde ich eine Menge. Er ist nicht nur ein überaus erfolgreicher Unternehmer, sondern zudem ein aktiver Umweltschützer. Als Mitglied zahlreicher Gremien und Verbände setzt er sich für eine nachhaltige Forstwirtschaft ein und geht selbst mit gutem Beispiel voran: Die Waskovic Holz GmbH handelt vorrangig mit regionalen Erzeugnissen, die außerdem strenge Umweltstandards erfüllen. Außerdem wirbt Waskovic unermüdlich für entsprechende freiwillige Selbstverpflichtungen der privaten Waldbesitzer, wie mehreren Interviews und Artikeln in diversen Fachorganen zu entnehmen ist. Die hill & valley GmbH, deren Geschäfte sich auf den Import von Edelhölzern konzentrieren, hat sich ebenfalls die Wahrung der Natur und die Einhaltung ökologischer und sozialer Standards auf die Fahnen geschrieben. In einem Aufsatz eines Fachmagazins, in dem das Unternehmen porträtiert wird, finde ich ein Foto, das Waskovic mit einem malaysischen Waldbauern zeigt. Waskovic hat dem ihm kaum bis ans Kinn reichenden Männlein freundschaftlich den Arm um die Schulter gelegt, und beide strahlen um die Wette in die Kamera. Was mir unweigerlich dazu einfällt, sind sepiabraune Relikte aus der Kolonialzeit. Auf diesen Aufnahmen hat der Kolonialherr allerdings gewöhnlich nicht die Hand auf der Schulter, sondern den Fuß auf dem Kopf des Objekts seines Heldentums platziert. Derartige Assoziationen beruhen wohl vor allem auf meiner tendenziösen Voreingenommenheit gegenüber Waskovic und sind in keiner Weise relevant für das, was gerade passiert.
    Was ich sonst noch über den Typen finde, ist nichts Neues, und es hellt meine Stimmung nicht gerade auf: Waskovic ist Duzfreund der lokalpolitischen Prominenz aller Couleur, ein Mann, mit dem man gern gesehen wird. Außerdem ist er Mitglied und Mäzen zahlreicher Kultur- und Sportvereine und als großzügiger Veranstaltungssponsor in der Region nicht mehr wegzudenken. Einem wie ihm pisst man nicht ans Bein. Also ein Verbrecher, wie er im Buche steht.
    Na prima.

    Ich versuche es mit diesem gewissen Thomas und seinem Kollegen Stefan – die beiden Mitarbeiter, die auf der Abschussliste stehen. Ein Stefan Salzmann arbeitet im Rechnungswesen der Waskovic Holz GmbH. Er ist bei Facebook registriert und sieht für einen Buchhalter gefährlich verwegen aus, aber aus seiner Freundschaftsliste lassen sich nicht ohne Weiteres mafiöse Verstrickungen ableiten. Außerdem ist er Mitglied der ›Holzhacker-Buben‹, ein Kegelklub, wie ich der vereinseigenen Website entnehme. Die gibt es tatsächlich, auch wenn sie jeglicher technischen wie designerischen Finesse entbehrt und wortwörtlich aus einer einzigen Seite besteht. Offenbar hat hier jemand mit dem Basteln angefangen und wenig später festgestellt, dass es sinnvollere Freizeitbeschäftigungen gibt.
    Nachdem ich es geschafft habe, das ›Kleiner Feigling‹-Werbefenster kleinzukriegen, werde ich mit einer Namensliste der Mitglieder belohnt, die sich vorrangig aus der Waskovic’schen Belegschaft zu rekrutieren scheint. Außerdem gibt es ein Gruppenfoto, auf dem alle Mitwirkenden Entenmasken tragen. So schlecht kann das Betriebsklima ja nicht sein, denke ich übellaunig. Von Mordaufträgen gegen unliebsame Mitarbeiter mal
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