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Wildrosengeheimnisse

Wildrosengeheimnisse

Titel: Wildrosengeheimnisse
Autoren: Christine Rath
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wolle.
    Heeeee …, der spinnt wohl. Wütend drücke ich auf die Hupe. Erschrocken blickt mich die junge Frau aus großen, dunklen Augen an. Sie ist bildhübsch, aber offenbar total verängstigt und der Bluterguss über ihrem Auge sieht nicht gerade so aus, als sei sie irgendwo dagegen gelaufen. Sie hat wunderschöne dunkle Locken, die sie auf der linken Seite mit einer großen Haarspange aus Strass, die die Form eines Saxophons hat, zurückhält.
    Interessant, so etwas habe ich noch nie gesehen.
    Der Mann, der sie reichlich unsanft am Arm festhält, ist ein grobschlächtiger Bursche, nicht allzu groß und von kräftiger Statur. Sein halblanges schütteres Haar wirkt ungepflegt und rasieren könnte er sich auch einmal wieder. Was ihn jedoch am unsympathischsten wirken lässt, ist sein grimmiger und finsterer Gesichtsausdruck. Wie kommt so eine hübsche Frau nur an einen dermaßen derben Kerl, frage ich mich.
    Bevor ich die beiden allerdings noch länger beobachten kann, sind sie bereits im dichten Nebel verschwunden. Meine Güte, was es alles gibt. Was da wohl vorgefallen ist, dass die beiden sich derart streiten auf offener Straße? Vielleicht irgendein harmloser Ehestreit, versuche ich mich selbst zu beruhigen. Ich muss immer noch an die ängstlichen Augen der jungen Frau denken. Eventuell ist er ein Zuhälter? Der Mann hatte etwas Brutales an sich, aber vielleicht täusche ich mich wegen seines wütenden Gesichtes und der Geste, die er machte. Kopfschüttelnd fahre ich weiter. Hoffentlich beruhigen sich die beiden wieder.
    Wenn man den dichten Nebel sieht, kann man sich gar nicht vorstellen, wie schön es im Frühling und Sommer ist. Doch eigentlich liebe ich auch diese ruhigen, melancholischen Stimmungen am See. Es ist wunderbar, mit meiner kleinen Mischlingshündin Jojo an einem solchen Tag spazieren zu gehen und die beinahe mystische und geheimnisvolle Stimmung auf mich wirken zu lassen. Wenn der Nebel den See und das Ufer wie durch einen Weichzeichner verzaubert und alle Geräusche dämpft, kann man wunderbar vor sich hin träumen. Nach einem solchen Spaziergang nach Hause zurückgekehrt, gibt es nichts Schöneres, als es sich mit einer Tasse Tee bei Kerzenschein gemütlich zu machen. Es gibt Menschen, die das nicht verstehen können und mich stirnrunzelnd fragen, wie man es am Bodensee im Winter aushält, ohne depressiv zu werden. Diese lache ich dann immer an und sage:
    »Indem man in der warmen Stube vom Sommer träumt.«
    Im Moment ist der Sommer weit entfernt und der Nebel scheint dichter zu werden. So kommt es mir jedenfalls vor, als ich in die Seestraße in Nußdorf einbiege, in der sich mein Heim befindet.
    Sobald das butterblumengelbe Haus im Nebel vor mir auftaucht, geht mir das Herz auf.
    Die alte Villa am Seeufer mit dem großen Garten und den hohen Bäumen strahlt so viel Ruhe und Behaglichkeit aus – und das ist mein Zuhause. Schon immer fand ich, dass diese alten Häuser viel mehr Atmosphäre besitzen als diese seelenlosen Neubauten. Und nun lebe ich in so einem wunderschönen Gebäude, was bin ich nur für ein Glückspilz.
    Innen ist es herrlich warm und behaglich und ich freue mich über die gemütliche Stimmung. Am liebsten würde ich es mir mit einem schönen Roman vor dem Kamin bequem machen, doch das geht nicht. Während mich Jojo stürmisch begrüßt, als hätte sie mich vier Wochen nicht gesehen und nicht nur eine Stunde, klingelt das Telefon. Mein Herz klopft, das wird Christian sein. Und während ich mit der einen Hand die Rosen ins Wasser stelle, nehme ich mit der anderen Hand das schnurlose Telefon von der Station.
    Doch es ist meine Mutter, die aus Amerika anruft. Nanu, wieso ist sie denn schon auf? Schließlich ist es in Michigan sechs Stunden früher als bei uns, also noch ganz zeitig am Morgen.
    Meine Mutter hat sich im vergangenen Jahr mit fast 70 Jahren auf den Weg gemacht, um ihren Brieffreund in Detroit zu besuchen, … und sich noch einmal richtig verliebt. Nachdem mich die beiden zu Weihnachten am Bodensee besucht hatten, kehrten sie gemeinsam zurück in die USA.
    »Guten Morgen, Liebes«, höre ich ihre vertraute Stimme und es klingt so fröhlich, dass mir trotz der Kälte und des Nebels ganz warm ums Herz wird.
    »Was macht der Winter am Bodensee?«, lacht sie.
    »Ist das eine rhetorische Frage«, lache ich zurück und füge hinzu, »es ist neblig und kalt. Und bei euch? Warum bist du überhaupt schon auf?«
    »Weil ich dir etwas Wichtiges erzählen muss. Das kann ich
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