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Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
Autoren: Mary Jo Putney
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genauso überraschend, als wenn ihre Tochter selbst hier aufgetaucht wäre.
    Canning trat hervor und begrüßte die Besucherin. »Guten Tag, Lady Cameron. Es tut mir aufrichtig leid, aber ich habe seit Ihrem letzten Besuch nichts Neues erfahren.«
    »Aber ich habe etwas Neues gehört, und zwar von einem persischen Händler, der soeben in Konstantinopel eingetroffen ist. Er war monatelang in Buchara, und er schwört, daß kein Engländer dort exekutiert worden sei.« Lady Cameron heftete ihren eindringlichen Blick auf den Botschafter. »Mein Sohn lebt, Sir Stratford! Will denn die britische Regierung gar nichts unternehmen, um einen Mann zu retten, der in Erfüllung seiner Aufgaben gefangengenommen wurde?«
    Geduldig antwortete Canning: »Lady Cameron, es sind gut hundert Gerüchte im Umlauf, die sich auf das Schicksal Ihres Sohnes beziehen, aber fast alle stimmen darin überein, daß er höchstwahrscheinlich tot ist. McNeill, der britische Botschafter in Teheran, hat keinen Zweifel an diesen Geschehnissen, und er ist Buchara am nächsten.« Seine Stimme wurde leiser: »Es tut mir sehr leid. Ich  weiß, daß Sie es nicht glauben wollen, aber niemand kann Ihrem Sohn mehr helfen. Nicht einmal die Regierung Ihrer Majestät.« Ross trat vor und stellte sich zu den beiden. »Lady Cameron, verzeihen Sie, daß ich mitgehört habe. Was ist denn passiert?«
    Als sie den Klang seiner Stimme vernahm, drehte sich die Frau zu ihm um. »Ross!« Sie trat mit ausgestreckten Armen auf ihn zu, und ihr Gesicht erhellte sich. »Du bist die Antwort auf meine Gebete!«
    »Sie kennen sich?« fragte Canning verblüfft.
    »Das kann man so sagen.« Ross ergriff die Hände der Frau und beugte sich herunter, um sie auf die Wange zu küssen. »Lady Cameron ist meine Schwiegermutter.«
    Canning schnitt eine Grimasse. »Dann ist es wirklich nicht gerade  Ihr Glückstag heute. Ich nehme an, die Nachricht von Major Camerons tragischem Tod ist erst eingetroffen, nachdem Sie EngIand verlassen haben.«
    »Ich habe nichts gehört.« Es war schon einige Jahre her, daß Ross seine Schwiegermutter zum letzten Mal gesehen hatte, aber er hatte sie immer sehr gemocht und war dankbar dafür, daß sie ihm nicht die Schuld an Juliets Flucht zuwies. Er runzelte die Stirn, während er ihr müdes Gesicht musterte und erkannte, daß ihre frühere Unentschlossenheit durch die eiserne Entschlußkraft, die ihre wunderbare Tochter charakterisierte, ersetzt worden war. »Ist Ian etwas zugestoßen?«
    »Ich muß es leider annehmen. Er hatte ja stets das größte Talent, in Schwierigkeiten zu geraten, mit Ausnahme von Juliet vielleicht. Sie mit ihren Brüdern herumstromern zu lassen, war der größte Fehler, den ich in meinem Leben begangen habe.« Jean Cameron versuchte ein Lächeln, doch es mißlang kläglich. »Wie du ja weißt, Ross, war Ian in Indien stationiert. Anfang letzten Jahres wurde  er nach Buchara geschickt, um dort um die Freilassung der russischen Gefangenen zu bitten, die dort festgehalten wurden.
    Der Gedanke war, jeden Grund für Provokation zu beseitigen, der RußIand eine Ausrede bieten konnte, in das Khanat einzudringen. Schließlich möchte EngIand, daß Buchara unabhängig bleibt. Nun, der Emir lehnte nicht nur dieses Ersuchen ab, sondern nahm Ian auch gleich gefangen.« Sie warf dem Botschafter einen beißenden Blick zu. »Und die Regierung, die meinen Sohn dorthin geschickt hat, läßt ihn nun im Stich.«
    Canning seufzte kummervoll. »Wenn wir irgend etwas tun könnten, dann würden wir es gewiß tun. Aber Sie müssen akzeptieren, daß es zu spät ist, Lady Cameron. Der Emir von Buchara ist gefährlich und unberechenbar, und er verabscheut Europäer. Ihr Sohn war ein tapferer Mann. Er wußte, auf welches Risiko er sich einließ, als er dorthin ging.« Die Worte klangen wie die Inschrift auf einem Grabstein.
    Lady Cameron öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, als noch mehr Besucher angekündigt wurden, diesmal eine Gruppe reichgekleideter osmanischer Beamter. Nach einem kurzen Blick auf die Neuankömmlinge sagte Canning zu Ross: »Leider muß ich mich jetzt um meine neuen Gäste kümmern, aber wenn Sie und Lady Cameron noch etwas zu besprechen haben, dann können Sie gerne den Raum schräg gegenüber des Flurs benutzen.«
    Lady Cameron warf ihm einen flehenden Blick zu. »Ja, Ross, wir müssen reden.«
    Als Ross seiner Schwiegermutter in das kleine Empfangszimmer folgte, das Canning ihnen zugewiesen hatte, prophezeite ihm eine schwache, aber
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