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Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
Autoren: Mary Jo Putney
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verläßliche Stimme in seinem Hinterkopf, daß Ärger im Anmarsch war.
    Sobald die Tür geschlossen war, begann Lady Cameron rastlos hin- und herzulaufen. »Es ist wirklich eine Erleichterung, ein freundliches Gesicht zu sehen«, platzte sie heraus. »Canning und seine Leute sind höflich, aber sie alle behandeln mich wie eine dumme, unausgeglichene Frau, die sich nicht mit den Tatsachen abfinden will. Sie zucken zusammen, sobald ich auftauche.«
    »Es bereitet ihnen Unbehagen zu wissen, wie hilflos sie sind«, gab Ross ruhig zurück. »Canning scheint zu glauben, daß Ians Tod absolut sicher ist.«
    »Aber mein Sohn ist nicht tot! Ich würde es spüren, wenn er nicht mehr lebte!« Sie warf Ross einen verlorenen Blick zu. »Das ist ein mütterlicher Instinkt, verstehst du? Auch wenn ich Juliet furchtbar vermisse, so mache ich mir über sie doch keine Sorgen, denn ich weiß, daß es ihr gutgeht, zumindest körperlich. Ian geht es nicht gut, aber er ist nicht tot... und da bin ich mir absolut sicher!«
    Ross zögerte einen Moment, bevor er behutsam antwortete:
    »Wenn man bedenkt, wie in diesem Teil der Welt Gefangene behandelt werden, könnte Ian Glück gehabt haben, wenn er schnell getötet worden ist.«
    Sie warf ihm einen funkelnden Blick zu. »Du hast gut reden. Kümmert es dich überhaupt, ob Ian tot oder lebendig ist?«
    »Heute habe ich erfahren, daß mein eigener Bruder gestorben ist.« Ross schloß kurz die Augen und dachte an seinen ungezähmten rothaarigen Schwager. Ian war knapp ein Jahr älter als Juliet und genauso überschwenglich und voller Leben wie seine Schwester. »Ich bedaure den Verlust meines eigenen Bruders nicht halb so sehr, wie ich Ians bedauern würde«, gestand er heiser.
    Seine ruhige Bemerkung riß Lady Cameron unsanft aus ihrem  Zorn. Sie fuhr sich mit einer müden Geste über die Stirn und sagte: »Stimmt, Sir Stratford hat eben angedeutet, du habest heute wirklich Pech. Es tut mir leid, Ross, ich wollte dich nicht treffen.« Da sie mit den Familienverhältnissen der Carlisles vertraut war, erkundigte sie sich nun: »Hat Kilburn es noch geschafft, einen Sohn in die Welt zu setzen?«
    Als Ross den Kopf schüttelte, verengten sich ihre Augen nachdenklich. »Also wirst du ein Duke werden. Dann sollte ich dich wohl jetzt Kilburn nennen.«
    »Wir kennen uns viel zu lange, um jetzt so formell werden zu müssen.« Er verzog bitter den Mund. »Ein zukünftiger Duke zu sein, ist ein verdammt langweiliges Geschäft. Ich werde in ein paar Tagen nach EngIand abreisen.«
    »Ich beneide deine Mutter. Es ist schade, daß meine Kinder keine Lust dazu haben, brav und sicher in SchottIand zu leben. Statt dessen sind sie in alle vier Himmelsrichtungen verstreut. Und deswegen bin ich allein hier.« Lady Cameron setzte sich auf das Sofa und breitete anmutig ihre üppigen Röcke aus. Dann kam sie wieder auf das Thema zurück, das ihr am meisten am Herzen lag. »Sir Stratford tat so, als gäbe es einen eindeutigen Beweis, daß Ian tot ist, aber das ist nicht der Fall. Du weißt, wie es in diesem Teil der Welt zugeht - Buchara liegt über zweitausend Meilen von hier entfernt, und es gibt keine verläßliche Möglichkeit zu erfahren, was wirklich dort geschehen ist. Der nächste britische Konsul, Sir John McNeill, sitzt in Teheran, was immer noch gut tausend Meilen entfernt ist.«
    »Wie lauten denn die Berichte, die McNeill und Canning gehört haben?«
    Sie zuckte beiläufig die Schultern. »Einmal, daß es seit Jahren keine englischen Reisenden mehr in Buchara gegeben hat; dann, daß es einen Engländer dort gibt, der zum Islam übergetreten ist und nun Hauptmann der Artillerie des Emirs ist; weiter, daß letztes Jahr ein Engländer angekommen ist, der erschossen, geköpft oder im Kerker des  Emirs eingesperrt wurde. Es wird ebenfalls erzählt, daß der Emir gut ein Dutzend Europäer gefangenhält, aber es sollen alles Russen sein. So viele Gerüchte . . . und sie besagen nichts. Gar nichts. Der persische Händler, mit dem ich heute morgen  gesprochen habe, war vor kurzem noch in Buchara, und er schwört, nichts davon gehört zu haben, daß ein Europäer hingerichtet worden ist. Wie auch immer - die Botschaft zieht es vor, an Ians Tod zu glauben, weil es einfacher für sie ist.«
    »Ich glaube, da tust du der Botschaft Unrecht. Selbst wenn es keine öffentliche Exekution gegeben hat, ist das noch lange kein Beweis dafür, daß Ian noch lebt.«
    Jean Cameron kratzte halb amüsiert, halb ernst die Stirn.
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