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Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
Autoren: Mary Jo Putney
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wurden durch die Tatsache angefacht, daß ich jung und ungezähmt und unbekümmert war. Aber ich schwöre, es hat außer diesem einen Male keinen anderen Mann gegeben.«
    Ross konnte nicht mehr länger ruhig daliegen, also stand er auf und streifte sich seinen Chapan so heftig über, als könnte der Stoff ihn vor den finsteren Emotionen schützen, die durch das Zimmer zu schweben schienen. Er kam Juliet nicht näher - er wagte es nicht. Es war böse Ironie, daß er nur ein paar Stunden früher im Hotel Bianca hätte ankommen müssen, damit ihn seine Frau mit offenen Armen empfangen hätte.
    Es war nur eine einzige Tür zwischen ihnen, aber es war zu spät gewesen. Er stellte sich darauf ein, daß es noch schlimmer kommen würde. »Was geschah dann?« fragte er knapp.
    Juliet stieß sich von der Wand ab. »Ich fühlte mich dreckig, beschmutzt. . . und so vernichtet, als wäre ich vergewaltigt worden, aber in gewisser Hinsicht war es noch schlimmer, weil ich selbst dafür verantwortlich war. Niemand hatte mich dazu getrieben ... es war allein meine eigene Schuld. Und ich wünschte mir nur noch zu sterben.« Ihre Stimme sank zu einem heiseren Flüstern in sich zusammen. »Also ritt ich am nächsten Tag aus Valletta hinaus und in eine wunderschöne Bucht, zog mich bis  auf mein Unterzeug aus und . . . und ging ins Wasser!«
    Ross musterte sie mit wachsendem Entsetzen, denn er sah das Bild des verzweifelten Mädchens, das sie damals gewesen war, so scharf wie die Realität im Augenblick-Niemals, nicht einmal in den schlimmsten Momenten hatte er daran gedacht, sich sein Leben zu nehmen, und er konnte nur ahnen, wie schlimm es um Juliet gestanden haben mußte, daß sie sich töten wollte. »Wer oder was hat dich gerettet?«
    »Die Tatsache, daß ich zu feige war«, gab sie mit Selbstverachtung zurück. »Ich schwamm, bis ich zu müde war, meine Arme zu bewegen, dann entspannte ich mich und betete um Vergessen, so daß ich nichts mehr spüren mußte. Aber ich mußte feststellen, daß Ertrinken kein leichter Tod ist. Mein Mund füllte sich mit Wasser, dann brannten meine Lungen, und plötzlich geriet ich so in Panik, daß ich wieder Kraft fand, zu schwimmen.« Sie hob resigniert die Schultern. »Dennoch hätte ich eigentlich tot sein müssen, denn ich war sehr weit von der Küste entfernt, und plötzlich kam ein Wind auf. Als der Sturm zu wüten begann, dachte ich, ich würde wirklich ertrinken - ich kann mich noch an jede entsetzliche Einzelheit erinnern, bis ich das Bewußtsein verlor. Inzwischen mußte ich aber schon ziemlich nah an die Küste herangetrieben worden sein, denn ich erfuhr später, daß die Wellen mich sanft ans Ufer in die Nähe einer Fischerhütte geschwemmt hatten. Der Fischer und seine Frau holten mich nackt und blutend herein.«
    Juliet wandte sich ihm zu, und ihr Teint war totenbleich. »Und dort, in der Hütte, hatte ich eine Fehlgeburt. Ich habe unser Kind umgebracht, Ross!« Stumme Tränen liefen über ihre Wangen.
    »Du wolltest das Schlimmste hören, und hier hast du es. Ich habe versucht, mich selbst umzubringen — und statt dessen unser Kind getötet.«
    Sie hatte ihn gewarnt, aber dennoch war der vernichtende Schock der Geschichte, die sie erzählt hatte, gewaltiger als alles, was er sich je vorgestellt hatte. Es fühlte sich an, als hätte man einen eisernen Reif um seine Brust  gelegt, der sich nun zusammenzog und sein Herz und seine Seele zerquetschte. Blind drehte er sich zum Fenster und stieß die Läden auf, als seine malträtierten Lungen um Luft rangen. Dann starrte  er in die Nacht hinaus. Er war so durchdrungen von Schmerz, daß er ihn nicht mehr von Juliets trennen konnte.
    Also hatten sie ein Baby gehabt. Das Kind wäre jetzt fast zwölf, aber wäre es ein Junge oder ein Mädchen geworden? Rothaarig oder blond oder irgendeine unerklärliche Abweichung? Er versuchte, sich ein Bild davon zu machen, aber er konnte es nicht. Statt dessen holte sein Unterbewußtsein eine halbvergessene Erinnerung hervor.
    Ross war das einzige Kind gewesen, das seine Mutter zur Welt gebracht hatte, und als er volljährig geworden war, hatte sie ihm erzählt, sie habe nach ihm drei Fehlgeburten gehabt. Wegen ihrer Lebhaftigkeit hatte man seine Mutter immer »die lachende Duchess« genannt, während ihre Zwillingsschwester, Saras Mutter, den Spitznamen »die lächelnde Duchess« erhalten hatte. Doch einmal, als Ross etwa vier Jahre gewesen war, hatte er seine Mutter zusammengekauert in einem Winkel des
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