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Wilde Flammen

Wilde Flammen

Titel: Wilde Flammen
Autoren: Nora Roberts
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diesen drei Männern, die sich mit Herz und Leib dem Zirkusleben verschrieben hatten, war Buck derjenige, der am längsten dabei war. Er hatte schon für Jos Vater gearbeitet und sogar eine eigene kleine Dressurnummer einstudiert, die er in der Zeit nach dem Tode von Steve Wilder vorführte, bis Jo ihr Debüt gab. Buck war fast zwei Meter groß, mit einer wilden blonden Mähne und einem buschigen Vollbart. Mit seiner Statur trat er auf dem Zirkusplatz als Herkules der Unbesiegbare auf. Dabei war er in Wahrheit so schüchtern, dass jeder erleichtert gewesen war, als er die Nummer in der Manege aufgab. Für Buck waren mehr als zwei Leute schon ein Menschenauflauf. Er hatte riesige Hände, doch Jo konnte sich noch gut daran erinnern, mit welcher Sanftheit er zwei Löwenbabys auf die Welt geholfen hatte.
    Neben ihm wirkte Pete nahezu wie ein Zwerg. Das Alter des drahtigen Mannes war nicht zu bestimmen, Jo schätzte ihn irgendwo zwischen vierzig und fünfzig. Vor fünf Jahren hatte der ruhige Pete mit der tiefen Stimme bei Jo um einen Job nachgefragt. Sie hatte nie von ihm wissen wollen, woher er kam, und er hatte es ihr nie gesagt. Ohne Baseballkappe und Kaugummi im Mund traf man Pete nie an. Oft lieh er sich eines von Jos vielen Büchern, und in jeder Pokerrunde war er der ungeschlagene König.
    Gerry war noch sehr jung, gerade einmal neunzehn Jahre alt. Groß und schlaksig, war er begierig, so viel wie möglich zu lernen, um eines Tages selbst mit den Löwen zu arbeiten. Jo konnte den Ehrgeiz des Jungen nachempfinden. Auch sie hatte damals so gefühlt, und daher hatte sie schließlich zugestimmt, Gerry unter ihre Fittiche zu nehmen.
    Â»Wie geht es meinen Lieblingen?«, fragte sie. Vor jedem Löwenkäfig blieb sie stehen und redete leise auf die Tiere ein, bis sie sich beruhigt hatten. »Sie haben es gut überstanden, nicht wahr? Hamlet ist noch ein wenig nervös, aber es ist ja auch sein erstes Jahr auf Tour.«
    Â»Er ist ziemlich aggressiv«, murmelte Buck.
    Â»Ja, ich weiß«, erwiderte Jo abwesend. »Und er ist ziemlich intelligent.«
    Sie hatte das Haar zu einem dicken Zopf geflochten, den sie jetzt über die Schulter zurückwarf. »Sieh nur, da kommen schon die Ersten aus der Stadt«, sagte sie, als ein paar Autos und Motorräder auf die Weide einbogen.
    Es waren Leute aus der Gegend, die sich für den Zirkus interessierten. Sie wollten zusehen, wie das große Hauptzelt aufgebaut wurde; manche würden spontan mit Hand anlegen und Masten halten oder Leinen ziehen. Als Dank für ihre Hilfe würden sie Freikarten für die Vorstellung und damit ein unvergessliches Erlebnis erhalten.
    Â»Haltet sie mir nur von den Käfigen fern«, wies Jo ihre Helfer an, und Pete nickte.
    Auf der Weide herrschte geschäftiges Treiben. Überall lagen jetzt Drahtseile und Stützmasten. Sechs Elefanten warteten auf ihr Kommando, um die Seile anzuziehen, während die Männer Masten positionierten und Segeltuch spannten. Ganz langsam richtete sich das große Zelt auf und nahm Gestalt an.
    Im Osten stieg die Sonne jetzt immer höher und färbte den fahlen Himmel mit einem kräftigen Rot. Kommandos hallten durch die Luft, Lachen und auch hier und da ein deftiger Fluch. Jo gab Maggie, der afrikanischen Elefantenkuh, ein Zeichen, und gehorsam senkte diese den Rüssel. Vorsichtig stellte Jo einen Fuß darauf und kletterte mit Maggies Hilfe auf ihren Rücken.
    Die ersten Sonnenstrahlen fielen auf das große Feld. Der Duft der Orangenblüten vermischte sich mit dem Geruch von Leder und Tieren. Unzählige Male hatte Jo miterlebt, wie das Zelt aufgebaut wurde. Jedes Mal war es faszinierend, doch das erste Mal nach der langen Winterpause war immer etwas Besonderes. Maggie hob den großen Kopf und trompetete laut, so als wolle sie ihre Vorfreude auf die neue Saison kundtun.
    Lachend klopfte Jo dem Elefanten auf die graue Schulter. Sie fühlte sich frei und voller Tatendrang und unglaublich lebendig. Ließe sich ein Augenblick in einer Flasche einfangen, um ihn für immer aufzubewahren, so würde sie ganz gewiss diesen hier wählen. Wenn ich dann alt bin, dachte sie, dann öffne ich die Flasche und fühle mich wieder jung. Zufrieden vor sich hin lächelnd, ließ sie den Blick über die geschäftigen Menschen dort unten schweifen.
    Ein Mann, der bei einer Kabelrolle stand, zog ihre Aufmerksamkeit auf
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