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Wild wie das Meer (German Edition)

Wild wie das Meer (German Edition)

Titel: Wild wie das Meer (German Edition)
Autoren: Brenda Joyce
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kenne ich.“
    Schon raffte sie die Röcke und eilte zu dem Verschlag, von dem der Mann sich gerade entfernte. „Mr. Harvey! Mr. Harvey!“, rief sie.
    Der Mann drehte sich verdutzt um, zog die Stirn kraus und lächelte schließlich freundlich. „Was für ein Anblick für meine wunden Augen! Miss Hughes, ich hätte nicht gedacht, Sie einmal wiederzusehen!“ Die Stimme des ehemaligen Schiffsarztes der „Defiance“ klang herzlich.
    Sie eilte zu ihm und drückte ihm die Hand. „Mr. Harvey, geht es Ihnen gut? Sind Sie in diesem furchtbaren Kampf unverletzt geblieben? Stehen Sie auch unter Arrest?“
    Er lächelte dünn. „Wie Sie sehen, darf ich mich frei bewegen. Die Amerikaner haben zu wenig Feldärzte, deshalb haben sie meine Dienste in Anspruch genommen. Ich habe mich auch um die verletzten Gefangenen gekümmert. Aber was machen Sie hier an diesem traurigen Ort, Miss Hughes?“ Besorgnis schwang in seiner Stimme mit.
    „Ich bin jetzt Mrs. O’Neill, Mr. Harvey“, erklärte sie mit düsterer Miene.
    Seine Augen wurden vor Erstaunen ganz groß. Dann schüttelte er den Kopf und lächelte leise. „Jetzt ergibt alles langsam einen Sinn“, murmelte er. „Ich hatte Devlin noch nie so aufgewühlt gesehen, bevor er Sie traf.“
    Aufgeregt umklammerte sie sein Handgelenk. „Wissen Sie, wo er ist, Mr. Harvey? Ich habe gehört, er wurde angeschossen! Ich versuche verzweifelt, ihn zu finden.“
    „Und da dachten Sie, er ist unter den Gefangenen?“, fragte er.
    Virginia nickte und sah den Arzt hoffnungsvoll an.
    „Dort sitzen gerade mal zwei Dutzend Gefangene. Ich kenne jeden von ihnen mit Namen.“ Er zögerte und mied ihren Blick.
    Virginia merkte ihm an, dass er ihr etwas vorenthielt. „Was ist geschehen? Mr. Harvey, was wissen Sie über Devlin?“
    „Ich habe gehört, dass er gefangen genommen wurde, aber nicht von den Amerikanern, sondern von Admiral Cockburn persönlich. Offenbar war er rasend vor Wut und tötete seine eigenen Leute.“ Harvey zuckte zusammen. „Das ergibt alles keinen Sinn und kann nicht wahr sein, aber das ist das Gerücht, das mir zu Ohren gekommen ist.“
    „Er ist gefangen genommen worden?“, fragte sie atemlos, doch sie frohlockte, denn das hieße ja, dass Devlin noch lebte. „Wohin brachten sie ihn? Wo wird er gefangen gehalten?“
    „Wie ich gehört habe, sitzt er im Schiffsgefängnis, an Bord der ,Defiance’“, sagte Jack Harvey.
    „Wie es aussieht, werden Sie am Leben bleiben, Captain“, sagte Paul White, der neue Schiffsarzt, mit einem Grinsen.
    Devlin hockte mit bloßem Oberkörper auf der Pritsche in dem engen Schiffsgefängnis seiner eigenen Fregatte. Mr. White hatte ihm soeben die rechte Schulter verbunden, die furchtbar schmerzte, doch er biss die Zähne zusammen. Er wusste, dass die Wunde ihn nicht umbringen würde. Aufgrund seiner langjährigen Kampfer fahrung hatte er wie durch eine innere Eingebung gespürt, dass ihn jemand von hinten angriff. Daher hatte er sich noch rechtzeitig umgedreht. Hätte er es nicht getan, wäre er jetzt ein toter Mann, ermordet von Tom Hughes.
    Er war felsenfest davon überzeugt, dass Hughes ihm nur deshalb in diesen Krieg gefolgt war, um ihn bei erster Gelegenheit zu töten. Aber es kümmerte ihn alles nicht.
    Denn dieser letzte Kampf hatte seinen Blick auf das Wichtigste in seinem Leben gerichtet: auf seine Frau. Immer wieder sah er in seiner Erinnerung, wie Virginia um die Ecke bog und ihn entgeistert anstarrte. Ihr Gesicht war blass, schmutzig und von Erschöpfung gezeichnet. In ihren Augen lag blanke Angst, wie bei einem gehetzten Tier. Er sah, wie sie das Gewehr mit zittrigen Händen auf ihn anlegte, sah, wie sie von den üblen Soldaten gepackt wurde. Selbst jetzt noch erschreckten ihn diese Bilder zutiefst.
    Wenn er sie verloren hätte, würde er sich nie von seinem Gram erholen.
    Einst, vor langer Zeit, hatte er hilflos mit ansehen müssen, wie die Rotröcke seinen Vater ermordeten. Gestern hatte er gesehen, wie Virginia von englischen Seesoldaten gepackt wurde, und für einen Moment hatte er sich wieder wie der zehnjährige Junge gefühlt. Für einen kurzen Moment hatten Angst und Entsetzen ihn gelähmt, als die Frau, die er liebte, in höchster Gefahr gewesen war.
    Doch dann hatte ihn ein unbändiger Zorn aus der Erstarrung gerissen, denn er war nicht länger jener Junge, sondern ein gestandener und gefürchteter Schiffskommandant. Um Virginia zu retten, hätte er notfalls jeden Engländer in Hampton getötet.
    Zitternd
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