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Wieweitdugehst - Wieweitdugehst

Wieweitdugehst - Wieweitdugehst

Titel: Wieweitdugehst - Wieweitdugehst
Autoren: Friederike Schmöe
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dass die dummen Tippsen zu nichts zu gebrauchen sind, außer für die Arbeiten, für die man maximal gut sehen und hören muss. Du spielst das Blödchen. Aber du hältst Augen und Ohren offen. In alle Richtungen.«
    Mein Hals war ganz trocken. Die Welt hatte Astrid Nedopil zeit ihres Lebens unterschätzt. Sie hatte die Situation geschickt genutzt. So war sie zur Zeitbombe geworden.
    »Ich kultiviere vielfältige Interessen«, fuhr die Nedopil fort. Sie klang jetzt unbeteiligt, als spule sie nur ab, was sie sich zu sagen vorgenommen hatte. »Informatik und Chemie. Technik und Mechanik. Elektronik. Ich habe meine einsamen Nächte nutzbringend verbracht. Meinen Sohn habe ich mit dem typischen Jungskram vertraut gemacht. Sein Vater konnte ihm das nicht geben. Ich habe herausgefunden, wie man in fremde Mailprogramme reinkommt. Und noch einiges mehr.«
    Nero lag mir ständig mit Benimmregeln für das Cyberspace in den Ohren. Ich musste dringend mein Passwort ändern. Falls ich überhaupt noch dazu kam, irgendetwas in meinem Leben zu ändern.
    »Wollten Sie Neta wirklich umbringen?« Ich fröstelte. Sie hatte ihren eigenen Sohn getötet. Versehentlich. Niemand würde mir eine solche Geschichte abkaufen, wenn sie auf Papier gedruckt wäre.
    »Es gibt Schlimmeres als den Tod.«
    Die Kälte in ihrer Stimme jagte einen Schauer über meinen Körper. Ich lenkte mich damit ab, die Intervallschaltung der Scheibenwischer möglichst optimal einzustellen.
    »Ich wollte die Hoffnung ein klein wenig wachsen lassen«, fuhr die Nedopil fort. »Sie sollte ein zartes Pflänzchen werden, Liliana schon fest mit Netas Genesung rechnen. Dann habe ich wieder zugeschlagen. Das ist das Verderben. Der völlige Untergang.«
    »Sie wollten Lilianas Hoffnung töten?«, krächzte ich. Sah Liliana vor mir, wie sie sich neben der bewusstlosen Neta zusammengekrümmt und geweint hatte. Sie hatte mich an die biblischen Figuren erinnert, die sich das Haar zerrauften, die Kleider zerrissen und sich mit Staub und Asche bewarfen, um ihrer Verzweiflung Ausdruck zu geben. Um überhaupt wieder auf die Füße zu kommen, brauchte Liliana dieses zarte Geschöpf mit der milchweißen Haut und dem rotblonden Haar. Ohne Neta würde sie abrutschen, tablettensüchtig oder Dauergast bei einem überteuerten Psychologen werden. Oder in der Psychiatrie landen.
    »Ich muss mal«, sagte ich.
    »Kein Thema.« Astrid Nedopil presste das Messer an meinen Hals. Die Klinge schnitt ein, ich spürte einen dünnen Faden Blut in meinen Kragen laufen.
    »Au!«
    »Halten Sie auf dem Standstreifen.«
    »Aber …«
    »Es ist mir piepegal, wo Sie pissen.«
    Ich schluckte. Eine Stunde hätte meine Blase schon noch durchgehalten, aber mittlerweile kroch die Angst aus ihrem Mauseloch. Ich hatte zu viel gehört. Wurde für Astrid Nedopil zur Gefahr.
    Ich drosselte das Tempo und schaltete die Warnblinkanlage an.
    »Langsam aussteigen. Über die Beifahrertür.«
    Der Schnitt an meinem Hals juckte. Er konnte nicht tiefer sein als ein Kratzer, aber ich hatte das zwanghafte Bedürfnis hinzufassen. Ich kroch auf den Beifahrersitz. Astrid krabbelte neben mich. Sie war so klein, so wendig, sie passte wirklich überall durch. Wir kletterten über die Leitplanke. Ich war überzeugt, dass niemand sich um uns kümmern würde. Wer bei Tempo 160 an zwei Frauen vorbeiraste, die über eine Leitplanke stiegen, sah keine Messerklinge an einer Kehle aufblitzen.
    Ich rutschte den Hang hinunter. Wollte die Nedopil sogar beim Pinkeln hinter mir hocken, an mich geschmiegt wie ein Baby?
    »Sie haben Ihren Sohn aus Versehen umgebracht«, sagte ich. Dämlich, aber es rutschte mir so raus. Mein Fuß blieb an einem Ast hängen. Ich glitt aus Astrid Nedopils Griff, schrappte bäuchlings einen Meter tiefer. Spürte einen heftigen Schmerz im Nacken. Dann senkte sich blickdichte Dunkelheit über mich.

46
    »Sie haben Keas Wagen in Heilbronn gefunden.« Freiflug tippte mit dem Zeigefinger ratlos gegen den Telefonhörer. »In der Innenstadt. Wie ist der Spider nach Heilbronn gekommen?«
    »Keine Nedopil, keine Kea.« Nero presste seine Hände auf die Schläfen. Sein Kopf drohte zu platzen. Er dachte an die Aussage von Oliver Stark, die Sandra an ihn weitergeleitet hatte. Während Stark sich in der Geisterbahn herumtrieb, hatte er tatsächlich jemanden gesehen. Sich nichts dabei gedacht, dass da jemand zwischen den Gespenstern umherhuschte. Aber dieser Jemand war eindeutig eine Frau. Stark war sich ganz sicher. Warum sollte er
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