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Wieviele Farben hat die Sehnsucht

Wieviele Farben hat die Sehnsucht

Titel: Wieviele Farben hat die Sehnsucht
Autoren: Körner
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geschehen würde, wenn der Herrscher erfährt, daß du seine Tochter entführt hast.“
    „Ich will mit ihr leben!“ sagte der Beduine entschlossen und wühlte mit seinen Fingern im Sand.
    „Und wie willst du das erreichen?“ spottete ein anderer. „Du hast doch gesehen, daß sie sich durch nichts überzeugen läßt!“
    „Wenn ich nur wüßte, was ich machen soll?“ murmelte der junge Beduine und starrte verzweifelt in den Himmel.
    „Je, oh je.“ Ein ergrauter Mann ließ sein Kamel niederknien. „Die Sache ist ja wirklich ernster als ich dachte. Geht mal ein wenig zur Seite!“ Die anderen Beduinen gehorchten, und der Alte setzte sich neben den verzweifelten Mann in den Sand.
    „Du bist so erfahren“, wandte sich dieser schließlich an den Alten, „kannst du mir keinen Rat geben?“
    „Weißt du, mein Junge“, sagte der Beduine ein wenig bedauernd, „ob ich dir bei der Sache helfen kann, weiß ich wirklich nicht. Aber was machst du, wenn du einen Edelstein holen willst?“
    „Ich gehe dorthin, wo der Edelstein im Berg liegt!“ erwiderte der junge Beduine. „Was soll ich wohl sonst tun?“
    „Du raubst ihn also nicht aus irgendeiner Schatzkammer?“ fragte der Alte listig.
    „Nein!“ Wütend blickte der junge Mann dem Alten ins Gesicht. „Du weißt genau, daß ich so etwas niemals tun würde!“
    „Weshalb willst du dann diese junge Frau entführen?“ Niedergeschlagen und betroffen wandte sich der junge Beduine ab: „Du hast recht“, sagte er nach einer langen Pause, „aber was würdest du mir denn raten?“
    „Weißt du“, sagte der Alte schließlich, und sein vom heißen Wüstenwind zerfurchtes Gesicht legte sich in angestrengte Falten, „ich glaube, das ist wie mit dem Edelstein. Auch ihn mußt du dort abholen, wo er seit langem im Gebirge liegt. Darauf zu warten, daß er zu dir kommt, hat so wenig Sinn wie das Warten auf Ebbe und Flut in einem ausgetrockneten Wüstenfluß.“
    Der junge Beduine warf eine Handvoll Sand in den Nachtwind, beobachtete versonnen, wie der Sand vom Wind fortgetragen wurde und meinte dann: „Ich werde zu ihr gehen und bei ihr wohnen. Vielleicht hast du recht, Alter, und wir sehen uns irgendwann einmal wieder.“
    Der mächtige Herrscher war in der Zwischenzeit durch das Lager vor der Oase getobt. Nichts hatte etwas genützt! Seine Berater hatte er in alle vier Windrichtungen gejagt und ihnen mit dem Tod gedroht, falls er sie jemals wieder, in diesem oder einem anderen Leben, zu Gesicht bekäme. Dann hatte er die Zelte abbrechen lassen und sich auf dem Heimweg überlegt, gegen welchen Stamm er jetzt einen Krieg anzetteln könnte.
    Allein ein einsames Kamel und ein kleines Beduinenzelt blieben draußen in der Wüste zurück, am Rande der kleinen Oase. Der Mond stieg langsam in den nächtlichen Himmel, und vor dem kleinen Zelt saß ein junger Mann und schaute hinüber zu den Lichtern der k leinen Oase.
    Er saß dort, bis die Sonne den kühlen Sand mit hellen Fingern behutsam streichelte, dann stand er auf und ging auf die Oase zu.
    Wie ihr alle wißt, war es fast unmöglich, die junge t rau zu überzeugen, daß es auch eine schöne, aufregende Welt außerhalb ihrer Oase gibt. Doch irgendwann muß der junge Beduine es wohl geschafft haben. Eines Tages — niemand weiß heute mehr, wieviel Zeit vergangen war — trafen die Tochter des Herrschers und der junge Beduine bei dem wandernden Volk ein und setzten sich zusammen an das abendliche Feuer vor den Zelten. Gemeinsam brachen sie das Brot und bestreuten es mit weißem Salz. Als sie satt waren und zu ihrem Zelt gingen, sahen sie vor dem Eingang eine einsame Gestalt kauern. Es war der alte Beduine, der mit dem jungen Mann damals vor der kleinen Oase gesprochen hatte. Er sah die beiden auf sich zukommen und erhob sich. „Mein Rat war gut, wie ich sehe“, begrüßte er die beiden, und vor Freude trat er von einem Bein aufs andere.
    „Er war gut, Alter“, erwiderte der junge Beduine, „aber da ist etwas, was ich dich schon lange fragen wollte. Was hätte ich eigentlich tun sollen, wenn sie mich nicht gastfreundlich aufgenommen und schließlich ihre Oase verlassen hätte?“
    Der Alte knabberte ein wenig an seiner Unterlippe, dann schaute er die beiden verschmitzt an und lächelte: „Weißt du, mein Junge, es ist schon wichtig, manchmal jemanden dort abzuholen, wo er gerade ist. Aber manchmal ist es wohl auch richtig, jemanden dort zu lassen, wo er gerade sein will!“
    Dann umarmte er die beiden fest, drehte
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