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Wienerherz - Kriminalroman

Wienerherz - Kriminalroman

Titel: Wienerherz - Kriminalroman
Autoren: emons Verlag
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in der Falle saß. Die Gestalt sprach kein Wort, dann aber sauste ein Schwert, in dessen Stahl sich die hundert Kerzen spiegelten, durch die Luft. Gleich würde es ihr das Genick durchtrennen, gleich würde auch ihr Blut das weißgelbe Wachs besprenkeln.

EINS
    Der durchdringend schrille Ton nagte an Valentinas Trommelfell. Mit einem Ruck zog sie das Kabel aus dem Verstärker. Sofort verstummte die Rückkopplung. Josef lachte heiser und zeigte dabei seine vom Nikotin gefärbten Zähne. Er schob sich eine selbst gedrehte Zigarette zwischen die Lippen und nickte Valentina aufmunternd zu.
    »Die hat Rasse, was? Auf so einer hat SRV gespielt.«
    SRV stand für Stevie Ray Vaughn, einen der großen Helden des temperamentvollen Texas Blues, der nicht nur deswegen zum Mythos geworden war, weil er verdammt schnell und schmutzig die hitzigsten Riffs klopfen konnte, sondern weil das Schicksal seinem Leben schon früh ein Ende gemacht hatte. Aber im Gegensatz zu Hendrix und den anderen Legenden war Vaughn nicht an einer Überdosis gestorben, sondern mit dem Helikopter abgestürzt. Einen Tag zuvor, so erzählte es sich die Fangemeinde, war ein Scheinwerfer direkt neben ihm auf die Bühne gekracht. Allerdings hatte er nicht ihn erwischt, sondern seiner Strat den Hals gebrochen. Die Mystiker unter den Fans sahen darin ein Zeichen, auf das er hätte hören sollen. Andere glaubten, er habe ohne seine Gitarre ohnehin nicht weiterleben wollen.
    »Wie viel?«, fragte sie.
    Josef ließ sich Zeit mit der Antwort, zog erst den Rauch der Zigarette tief in die Lunge, ehe er ihn durch Rachen und Nasenlöcher wieder entließ.
    »Für dich ein Tausender. Ist eine runde Zahl.«
    Valentina blies die Wangen auf. Ein Tausender war happig bei ihrem mageren Beamtengehalt.
    »Du kannst es in Raten zahlen, wenn du willst.«
    »Siebenhundertfünfzig in zwei Raten, sonst steht das Teil noch zwei weitere Jahre hier.«
    Josef lachte und spie eine Faser Tabak aus. »Erstens gibt es andere Interessenten, und zweitens ist ein Tausender schon ein Freundschaftspreis.«
    Josef war zäh. Und er hatte sofort gesehen, dass sie sich in die hellblaue Strat verknallt hatte. Das Blau erinnerte sie an das Meer zwischen Sizilien und Marokko. In Palermo war sie geboren, am Meer hatten die Großeltern ein Häuschen besessen. Sie war sechs Jahre alt gewesen, als sie sich vom Meer hatte verabschieden müssen. Jetzt war sie schon neunundzwanzig und seither nie mehr dort gewesen. Nach dem Meer sehnte sie sich, nach ihrer Kindheit nicht. Erinnerungen gaukelten gerne Postkartenidylle vor, aber selbst die blaue Strat würde sie nicht zu Verklärungen hinreißen. Das Meer würde sie dennoch riechen, wenn sie auf ihr spielte. Und was war schon ein Tausender für eine Ewigkeit am Meer?
    »Für achthundert nehme ich sie«, sagte sie.
    Josef grinste und drückte die Kippe in einem von Stummeln überfüllten Aschenbecher aus. »Neunhundert, und sie trägt deinen Namen.« Er streckte ihr seine gelben Finger entgegen. Valentina schlug ein.
    »Rucksacktasche ist inbegriffen?«
    »Klar. Brauchst du noch einen guten Verstärker oder ein Pedal?«
    »Danke, mein Fender tut’s noch.«
    »Zwei Raten?«, fragte Josef, der den Handel zum Abschluss bringen wollte.
    Valentina atmete schwer durch und nickte. Dann blätterte sie vierhundert Euro in bar hin. Josef verstaute die Strat in der Rucksacktasche und überreichte ihr das Instrument so feierlich, als handle es sich um das Schwert von König Artus.
    »Viel Vergnügen«, sagte er und griff sich eine weitere Selbstgedrehte aus dem Vorrat, den er sich anlegte, wenn keine Kundschaft da war.
    »Danke«, sagte Valentina, noch unsicher, ob sie sich diesen Schatz auch wirklich hätte leisten dürfen. Rasch verließ sie Josefs Laden, den er »Flash« nannte.
    Sie schulterte die Gitarre und löste das Schloss ihres Fahrrads. Dann stieg sie auf und radelte los. Sie würde schnell fahren, damit sie die Strat gleich ausprobieren konnte.
    Ihr Handy brummte. Sie stieg vom Rad und zerrte es aus der Tasche ihrer Army-Hose. Das Display verriet ihr, dass es Kollege Zirner war. Valentina nahm den Anruf entgegen.
    »Ja? … Was? … Scheiße! Ich komme sofort. Wo genau? … Gut. In einer halben Stunde bin ich da.«
    * * *
    Es war ein schöner Kopf, geschminkt für die Ewigkeit. Die Sorgfalt, mit der der Mörder an seine Arbeit gegangen war, verdrängte für einen Moment das Entsetzen, das in Zirner beim ersten Anblick des vom Körper getrennten Frauenschädels
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