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Wienerherz - Kriminalroman

Wienerherz - Kriminalroman

Titel: Wienerherz - Kriminalroman
Autoren: emons Verlag
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sie stehen und marschierte weiter zu dem Wagen. Er erkannte das gedrungene Heck eines silbernen Bentley Continental  GT . Neupreis näher den zweihunderttausend Euro, vermutete er. Warum fuhr man ausgerechnet mit so einem Auto in einen schmalen, holprigen, wurzeligen Waldweg? In den noblen Grünbezirken der Stadt sah man die teuren Limousinen öfter, nicht selten in Auffahrten oder Garagen, in denen auch ein Geländewagen parkte, vorzugsweise der Marken Range Rover oder, wenn die Besitzer mehr Individualismus demonstrieren wollten, Land Rover. Echtes Gelände sahen die einen wie die anderen nur von asphaltierten Straßen aus. Das wäre jetzt einmal eine Gelegenheit gewesen, dachte Freund. Noch bevor er das Gefährt erreicht hatte, erkannte er die Bescherung an der Heckscheibe. Bei der Fahrertür angekommen, beugte er sich hinab und schaute hinein.
    Auf dem schwarzen Ledersitz saß ein Mann mit hellen Hosen und grüner Steppjacke. Sein Kopf oder das, was davon übrig war, lag wie eine Totenmaske nach hinten gekippt auf den Resten der Nackenstütze. Der Mund stand offen, an der Stelle des Gebisses klaffte ein blutiges Loch. Die toten Augen starrten an den Wagenhimmel. Das Wageninnere war vollgespritzt mit Blut und anderem Gewebe, das sich sonst in einem Schädel fand. Die rechte Hand lag zwischen seinen Beinen, der Daumen hing noch im Abzug der Flinte, deren Lauf quer über seiner Brust lag, die Mündung gegen die Fahrertür gelehnt.
    Beim Anblick von Selbstmördern verspürte Freund immer Mitleid. Selbst der reichste Mann konnte so unglücklich sein, dass er keine andere Möglichkeit mehr sah, auch wenn weniger wohlhabende Menschen das nicht glauben konnten. Es bestätigte nur das alte Sprichwort, dass Geld allein nicht glücklich macht. Er fragte sich, was den Mann im Auto getrieben hatte.
    Freund hörte Schritte im Laub. In eine dicke Jacke verpackt schnaufte Doktor Romana Wanek durch das Laub. Seine Lieblingsgerichtsmedizinerin hatte zugenommen, stellte er zum wiederholten Mal fest. Gemeinsam umrundeten sie den Wagen. Dann öffnete Wanek vorsichtig die Fahrertür und beugte sich über den Toten.
    »Schaut relativ eindeutig aus«, stellte sie fest. »Abgesehen von einem Detail.«
    »Wer sich durch den Mund erschießen will, steckt die Waffe üblicherweise weiter hinein, wodurch das Gebiss nicht zerstört wird«, sagte Freund.
    »Genau«, bestätigte Wanek. »Obwohl ich so etwas auch schon gesehen habe.« Sie richtete sich wieder auf. »Mehr kann ich dazu momentan nicht sagen. Tot ist er eindeutig. Mehr weiß ich, nachdem ich ihn auf dem Tisch hatte. Obwohl ich nicht erwarte, dass er dir noch Arbeit machen wird.«
    Bei einem unnatürlichen Tod musste sie obduzieren, auch wenn die Lage klar schien.
    »Wie lange sitzt er hier schon so?«
    »Leichenstarre ist noch nicht eingetreten. Ein paar Stunden.« Sie zog die Latexhandschuhe aus. »Ist er schon identifiziert?«
    »Ich warte noch auf die Spurensicherung. Ah, da sind sie ja schon.«
    Hintereinander kamen zwei weiße Gestalten zwischen den Bäumen hervor. Trotz des Overalls mit Kapuze erkannte der Inspektor seinen alten Freund Pascal Canella, Leiter der Spurensuche, sofort an dessen schlaksiger Figur.
    Über die Jahre hatten sie sich daran gewöhnt, sich in Gegenwart von Leichen zu treffen, was die Begrüßung nicht minder herzlich machte. Jeder erkundigte sich beim anderen nach der Familie, sie tauschten den neuesten Tratsch aus. Canellas Mitarbeiter begann zu fotografieren.
    Canella warf einen Blick auf den Toten. »Was für eine Schweinerei. Man kann so etwas doch wirklich dezenter und sauberer erledigen.«
    »Wie mitfühlend«, bemerkte Wanek.
    »Ist doch wahr …«
    »Empfehle mich«, sagte Wanek und winkte ihnen zum Abschied, während sie davoneilte.
    Canella sah sich um. »In dem Laub werden wir nicht viel finden. Zumal schon der Hundebesitzer und sein Tier durchgelaufen sind.«
    Sein Mitarbeiter hatte die Leiche fertig fotografiert.
    »Dann wollen wir einmal.«
    Vorsichtig durchsuchte Canella die Jackentaschen des Toten. In den Brusttaschen wurde er fündig.
    »Voilà.« Er reichte Freund eine Brieftasche, ein dünnes Lederheftchen und einen Briefumschlag.
    In der Geldtasche fand Freund ein paar Kreditkarten, dreihundert Euro und einen Führerschein.
    »Florian Dorin.«
    »Muss gut verdient haben, der Herr Dorin«, meinte Canella mit einem Blick auf den Wagen.
    Freund antwortete nicht. Er versuchte herauszufinden, woran ihn der Name erinnerte, kam aber nicht
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