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Wienerherz - Kriminalroman

Wienerherz - Kriminalroman

Titel: Wienerherz - Kriminalroman
Autoren: emons Verlag
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niemand stehlen. Und je länger sie es fuhr, desto mehr gewöhnte sie sich nicht nur an das Kackbraun, sie freute sich sogar daran. Sie fand, dass das Rad zu ihr passte. Alle lachten darüber, unterschätzten es, aber der Drahtesel war ein verkappter Ferrari. So wie sie selbst auch. Valentina wusste, wie gut sie aussah, aber sie trug Trekking- und Armeeklamotten, die ihre Kurven verbargen, scherte sich einen feuchten Dreck, ob ihre Frisur saß, und verweigerte sich vehement Pumps, tief ausgeschnittenen Kleidern, kurzen Röcken und Schminke. Ihre Eitelkeit lag in einem Mega-Understatement, und das ließ sie nicht nur bei den männlichen Kollegen arrogant wirken.
    Kurz vor dem Schottentor musste sie scharf bremsen. Valentina fluchte über die ferngesteuerte Touristengruppe, riss den Lenker herum und fuhr ein Stück auf der Ringstraße entlang, ehe sie wieder den Radweg nahm.
    Sie überlegte kurz, welche Route sie einschlagen sollte, und entschied sich dann, am Augarten vorbei die Floridsdorfer Brücke anzusteuern und sich dem starken Autoverkehr der Brünner Straße zu stellen.
    Sie umkurvte die Straßenbahnlinie vor der Brücke und schaltete hinunter, um beim Anstieg den Fluss nicht zu verlieren. Eine Melodie kam ihr in den Sinn, sie begann sie zu summen und setzte Wörter darauf:
    »Von der Floridsdorfer Brücke,
    da klafft mir eine Lücke,
    hab ich ihn nun erstochen,
    oder hab ich nur erbrochen
    all den Fusel, den ich soff,
    der mir aus dem Maule troff,
    war es nur aus Rache,
    längst abgemachte Sache?«
    Valentina lachte über den Text, er gefiel ihr. Sie würde mit ihm und der Melodie experimentieren, bis sie bei Zirner wäre. Am Abend würde sie ihn dann niederschreiben. Es könnte der Refrain einer neuen Ballade sein. Er klang etwas nach Moritat, aber wenn man harte Slash-Akkorde darunterlegen würde, hätte es Charme.
    * * *
    Zirner blickte ungeduldig auf seine Armbanduhr. Valentina hatte gesagt, in einer halben Stunde sei sie hier. Die war längst vorbei.
    Ihm erzählte der Tatort nicht viel. Oder sollte er besser »Fundort« sagen? Denn hier war der Schädel nicht abgetrennt, die Frau nicht ermordet worden, so viel konnte man auf den ersten Blick schon erkennen. Es gab keine Anzeichen von Blut oder Spuren eines Kampfes. Auch die restlichen Teile des Körpers waren nirgendwo zu finden. Das Zimmer hier glich eher einem kargen Ausstellungsraum. Die anderen beiden Köpfe waren in ähnlich verlassenen, kahlen Räumen ausgestellt worden.
    Valentina war bereits eine Viertelstunde über der Zeit, das war er von ihr nicht gewohnt. Zirner nahm sein Handy und wählte ihre Nummer an. Es klingelte direkt hinter ihm. »Hells Bells« von AC/DC hämmerte in sein Ohr. Er drehte sich um.
    »Entschuldige die Verspätung«, sagte Valentina kurz und reichte ihm die Hand zum Gruß.
    »Neues Gewehr?«, fragte Zirner und deutete mit dem Kinn in Richtung Gitarrenrucksack, den Valentina noch immer auf dem Rücken trug.
    »Schnellfeuerwaffe. Damit hänge ich sogar Malmsteen ab«, antwortete sie.
    »Wäre schön, wenn wir damit auch schneller als unser Täter wären. Willst du deine Bazooka erst abstellen?«
    Valentina sah sich um und schüttelte dann den Kopf. »Nein, am Ende verwische ich noch eine Spur damit.«
    »Du hast doch nur Angst, dass sie dir jemand klaut.«
    »Richtig. Wem kann ich hier schon trauen?«
    »Mir.«
    »Ich behalte sie trotzdem auf.«
    »Dann komm mit, ich zeig dir etwas, das dir sehr bekannt vorkommen wird.«
    Valentina folgte Zirner in den hinteren Raum des Gebäudes, wo sich noch immer der abgesägte Frauenschädel befand.
    »Die Spurensicherung ist schon durch. Sie warten nur darauf, dass sie den Kopf mitnehmen können.«
    Valentina erkannte im Unterton Zirners, dass die Kollegen bereits ungeduldig darauf warteten, in die Mittagspause zu verschwinden.
    »Ich beeil mich«, erwiderte sie leicht genervt über die Beamtenmentalität ihrer Kollegen. Zirner war eine Ausnahme, obwohl auch er sich seiner Pension entgegensehnte. Aber auf ihn konnte sie zählen. Er war so etwas wie ein guter Onkel für sie in dem Laden. Ohne ihn hätte sie keine drei Wochen überlebt. Er war ihr einige Male in schwierigen Situationen zur Seite gestanden und hatte manches Fettnäpfchen, in das sie arglos hatte springen wollen, geschickt aus dem Weg geräumt. Zwar war er der Dienstälteste, ordnete sich aber ihrer Leitung unter, im Gegensatz zum Rest der Truppe. Vielleicht erinnerte sie ihn an seine Tochter, die mit ihrer Mutter nach
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