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Wiegenlied Roman

Titel: Wiegenlied Roman
Autoren: Kerstin Cantz
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albtraumhafter Behändigkeit auf die Gemahlin des Königs zustürzte. Wir alle, der Verfasser eingeschlossen, sahen das Schlimmste kommen, wir hatten die Hände vor die Gesichter geschlagen, indessen erste Damen das Bewusstsein verloren, und glaubten wahrhaftig, das Sterben der Fürstin erleben zu müssen.
    Doch es kam anders!

    Was Elsa Heuser tat, wird sie auf ewig unvergesslich machen. Wie im Tanz umfing sie die Fürstin und drehte sie auf die Seite. Sie empfing den Stich des Messers wie eine Märtyrerin. Es wird sie uns für immer die Göttliche nennen lassen. Und während noch das ganze Haus schrie vor Schrecken, sprang ein junger beherzter Mensch, bei dem es sich, wie wir erfuhren, um Baron Moritz von Vredow handelte, über die Fauteuils. Doch bevor es ihm gelang, die Bühne zu erreichen, hatten wir mit anzusehen, wie der Attentäter sich selbst richtete.
    Die Fürstin wurde von Adjutanten des Königs und der Prinzen in Sicherheit gebracht. Es erwies sich zudem als glücklich, dass Staatsrat Professor Hufeland im Theater war, um sich den schweren Verletzungen Demoiselle Heusers zu widmen.
    Polizeipräsident Staatsrat Le Coq, ebenfalls in einer der Logen anwesend, ließ am Morgen nach dem schockierenden Geschehen wissen, dass Valentin von Buch der Täter gewesen war, seines Zeichens Schlosshauptmann des Königlichen Palais. Nach dem Tod der anbetungswürdigen Königin Luise fristete er, so ließ man verlauten, hier bei Hofe ein Dasein in Abgeschiedenheit.
    Berlin betet nun für Elsa Heuser. Die Tat wird uns ein grausames Rätsel bleiben.
     
     
    VOSSISCHE ZEITUNG , BERLIN, 18. DECEMBER
     
    Möglicherweise ausgelöst durch das unfassliche Attentat auf die Gemahlin Seiner Majestät am Premierenabend des Goethe’schen Faust, meldete sich am Tage darauf in der Stadtvogtei eine ungenannte Dame von Stand.
    Sie gab an, Helene Heuser, die ihr als Schwester der schwer verletzten Hofschauspielerin bekannt geworden war, unlängst um Hilfe ersucht
zu haben. Am Abend des Paganini-Konzerts habe die in der Vogtei zu Unrecht Inhaftierte ihr diese zukommen lassen. Sie entband sie von einem unehelich empfangenen Kind, das sich indessen auf dem Gut eines Freundes in der Pflege einer Amme befände.
     
    Nachdem der chirurgus forensis Blunck im Anschluss an eine mysteriöse Kutschenfahrt mit erhellenden Neuigkeiten über den Engelmacher aufwarten konnte, suchten die Patrouillen nun wieder nach einer Person männlichen Geschlechts.
    Und obwohl er seine Quelle nicht preisgab, gewährte man ihm Einsicht in den geheimen Polizeibericht, der die Vernehmung jener jungen Dame protokollierte, die bei Hofe um ihre Entlassung gebeten hatte.
    Dem Staatsrat und damit den Akten lag ein Brief mit dem Siegel der Fürstin Auguste von Harrach vor. Fräulein von Helmer, hieß es darin, entließe man mit Bedauern und größtem Kummer. Von der charakterlichen Unfehlbarkeit der vormaligen Hofdame sei man trotz allem Vorgefallenen zutiefst überzeugt.
    Die Behörden ersuche man vertrauensvoll um Diskretion, da man ihr eine unbescholtene Zukunft ermöglichen wolle. Fräulein von Helmer hege den Wunsch, als Gouvernante nach London zu gehen, um ihre Englischkenntnisse aufzubessern.
     
    Den Rest hatte Blunck zu erledigen. Er war schneller und gründlicher als die Polizeibehörden, vor allem erhielt er kostbare Unterstützung. Es mochte daran liegen, dass es in nahezu jedem Bordell eine Hure gab, die den anderen beim Frühstück aus der Zeitung vorlesen konnte, vielleicht aber auch daran, dass bald Weihnachten war. Blunck jedenfalls
konnte sich mit einem Mal der Mithilfe jeder einzelnen Hure versichern, die er je visitiert hatte. (Was die Binsenweisheit bestätigte, dass in jeder Hure ein romantischer Charakter schlummert.)
    Als Erstes stellte er die kalte Pauline, wobei ihm Lula mit einem entscheidenden Hinweis, den sie vor jedem Gericht dieser verdammten Erde zu bezeugen bereit war, zu Hilfe kam. Pauline gestand, dem Engelmacher zwei, höchstens drei Frauen zugeführt zu haben. Sie strich das Geld ein, das er nicht wollte. Angefangen habe es mit einer, die kein Mamsellchen war, eine Feine, die nach Rosen und Mandeln roch. Der Mann hingegen, obwohl er nicht über die Maßen schmutzig gewirkt habe, stank immer wie eine tote Ratte. Und dann dieses Tuch!

TAG ZWEIUNDZWANZIG
    Hähnlein hatte darum gebeten, bei der Vernehmung des zum Prosektor beförderten Anatomiedieners anwesend zu sein. Man fand dies ungewöhnlich, doch da an diesem Fall alles ungewöhnlich
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