Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wiederkehr des Bosen

Wiederkehr des Bosen

Titel: Wiederkehr des Bosen
Autoren: H. B. Gilmour , Randi Reisfeld
Vom Netzwerk:
auf der Polsterbank vor dem Fenster saß. Aber das Buch lag jetzt in ihrem Schoß; sie starrte in den Winterhimmel, der frostig grau war. Bald würde es zu schneien anfangen. »Camryn«, rief Alex. »Komm mal her und schau dir die E-Mail an, die Lucinda eben an mich geschickt hat.« Keine Antwort.
    Schmollte Cam Sonnenschein etwa? Unmöglich, dass sie Alex nicht gehört hatte, schließlich saß sie nur ein paar Meter entfernt im selben Zimmer. Okay, das Mädchenzimmer war riesig, so groß, dass sogar der abgewrackte Wohnwagen fast hineingepasst hätte, in dem Alex und Sara gehaust hatten, nachdem Ike sang-und klanglos verschwunden war. Aber trotzdem - das Zimmer war nicht so groß, dass Cam sie nicht gehört haben konnte. Alex glaubte, dass sie von Cam aus irgendeinem Grund wieder einmal ignoriert wurde.
    Hatte das Girl vielleicht einen Gehörsturz? Oder Hormonprobleme, die ihre Mentalität total verändert hatten? Letzteres würde allerdings nicht zu Cam der Makellosen, der Friedlichen passen.
    Okay - Alex musste sich also selbst eine Antwort auf Lucindas Notruf ausdenken. Ohne Cams Mitwirkung. »Wir kommen«, schrieb sie also kurz entschlossen zurück. »In zwei Tagen haben wir Winterferien. Also bis übermorgen.«
    Alex warf ihrer Schwester einen unsicheren Blick zu, dann klickte sie auf »Senden«. Ihre Mail verschwand im Cyberspace, raste mit Lichtgeschwindigkeit zur Gemeindebücherei von Crow Creek, von wo Lucindas Message gekommen war.
    »Ich hab Lucinda jetzt geschrieben, dass wir am Wochenende tatsächlich nach Montana kommen«, versuchte es Alex noch einmal bei ihrer Schwester.
    Aber Cam starrte noch immer aus dem Fenster. Offensichtlich hatte sie nichts mitbekommen. Und offenbar war ihr kalt, denn Alex sah, dass Cam zu zittern angefangen hatte. Sie umklammerte ihre Knie und schaukelte vor und zurück, mit leerem, nach innen gerichtetem Blick.
    »Cam!«, rief Alex vorsichtig. »Cami, wo schaust du denn hin?« Plötzlich wurde ihr klar, was hier abging. »Cami, siehst du etwas?«, flüsterte sie. Aber es nützte nichts, sie konnte Cam in diesem Zustand nicht fragen. Offensichtlich hatte Cam wieder eine ihrer Visionen - eine dieser heftigen, visuellen Vorahnungen, die sie ihr ganzes Leben lang immer wieder erlebt hatte.
    Camryns Sehvermögen war extrem scharf, hyperscharf, eigentlich schon überdreht - wie Alex' Hörvermögen und Geruchssinn. Zusammen erahnten und hörten sie Ereignisse voraus, verfolgten deren Entstehung sogar mit. Alex konnte geradezu über Meilen hinweg die leisesten Regungen hören, etwa wenn ein Blatt von einem Baum fiel -und Cam konnte, wenn sie es wollte und sich darauf konzentrierte, das Blatt tatsächlich fallen sehen. Sie konnte sehen, wie das Blatt allmählich immer lockerer an seinem Zweig hing und sich schließlich löste, noch bevor es wirklich herunterfiel - Minuten und manchmal sogar Tage vorher. Alex konnte Dinge aus der Ferne bewegen. Wenn sie sich vorstellte, dass das Blatt den Kopf eines Passanten streifte, dann konnte sie bewirken, dass es sich in seinem Haar verfing. Und Cams brennender Blick konnte es entzünden, es in Flammen setzen.
    Aber was zum Teufel sah die Zündelschwester jetzt wieder?
    »Ich seh deinen Freund«, sagte Cam. Ihre Stimme klang heiser, gespenstisch. Sie war noch nicht völlig wieder »aufgetaucht«.
    »Der Junge aus Montana. Evan. Er ist in Schwierigkeiten.«
    »Das weiß ich längst. Bring mal was Neues«, sagte Alex. »Deshalb hab ich ja Lucinda geschrieben, dass wir beide am Wochenende nach Crow Creek kommen.«
    »Was hast du?« Cam war jetzt völlig wach und verzog das Gesicht - wie immer nach einer Vision wie dieser setzte ihr jetzt heftiger Kopfschmerz zu. »Wir können nicht nach Montana fahren!«
    »Erzähl mal«, sagte Alex, ohne auf ihre Worte einzugehen. »Ich meine, was du gesehen hast.«
    »Es war Evan, glaube ich.« Cam schloss die Augen und versuchte, sich zu erinnern. Sie hatte den Jungen nur ein einziges Mal getroffen. »Er sah irgendwie anders aus als damals, aber ich bin ziemlich sicher, dass er es war. Er hielt sich irgendwo auf, wo es kalt war, aber der Ort kam mir bekannt vor. Ein unheimlicher Ort, an dem auch wir schon gewesen sind. Aber da war sonst niemand, nur Evan und zwei andere Jungs. Oh, und eine Frau war auch bei ihnen. Eine große Frau, ganz in schwarzen Klamotten. Sie zitterte und weinte.« Cam schüttelte sich bei der Erinnerung. »Die Jungs müssen üble Typen sein, Alex. Ich meine, um sie herum waberte so was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher