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Wiedergaenger

Wiedergaenger

Titel: Wiedergaenger
Autoren: Alexandra Kui
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ist, nach der du suchst.« »Das waren
die anderen Frauen auch nicht. Ich hätte sie doch befragen
können.«
    Â»Genau das wollte ich vermeiden.«
    Â»Und warum, wenn ich fragen darf?«
    Â»Weil sie schon lange keine Fragen mehr beantwortet.«
    Â»Ist sie tot?«
    Â»So etwas in der Art. Und jetzt lass mich zufrieden und
vergiss endlich den ganzen Mist. Dein Großvater ist nicht hier.
Du hast dich verrannt. Du musst endlich dein Leben weiterleben. Genau
wie ich.« Damit legt er auf.
    Unglaublich, wie sehr sie ihn vermisst. Sie findet, er hätte
wenigstens so tun können, als ob sie ihm nicht völlig egal
wäre. Entgegen ihrer guten Vorsätze, reinen Tisch zu
machen, will Liv sich mit Max trösten, doch der hat keine Zeit
für sie. Ein Wochenende verstreicht, ohne dass es ihr gelingt,
sich zu sammeln und zu irgendetwas aufzuraffen. Stunden voller
rastloser Langeweile, doch die vergeudete Zeit bedeutet ihr nichts.
Sie ist allein. Die leere Wohnung macht ihr zu schaffen. Warum hat
sie ihre Einsamkeit früher nie als solche empfunden?
    Die nächste Abfuhr holt Liv sich nicht am Telefon, sondern
persönlich ab:Als sie Aaron bei seinem Vater aufsucht, lässt
der Junge sie nicht einmal ins Haus.
    Â»Was willst du?« Er lehnt schlaff im Türrahmen,
das Gesicht trotz sommerlichen Wetters blass und vor Feindseligkeit
geradezu entstellt.
    Â»Dich abholen. Wenn du magst.«
    Â»Kannst du vergessen. Mit dir bin ich fertig.«
    Â»Seit wann?«
    Â»Seit Papa mir gesagt hat, dass du mich abtreiben wolltest.«
    Janko, dieser Dreckskerl. Liv sieht ihn nicht,aber sie ist
überzeugt, dass er im Hintergrund lauert,um jedes Wort
mitzuhören, und sie hat nicht vor, sich das bieten zu lassen.
Nicht von ihrem Ex.
    Kommentarlos schiebt sie ihren Sohn zur Seite, und richtig, da
steht Janko, wie üblich mit sich und der Welt im Reinen, und
feixt, ausnahmsweise nicht im Anzug, sondern mit Jeans und T-Shirt
bekleidet, darüber trägt er eine schwarze Küchenschürze,
auf der in Orange geschrieben steht: »Frauen lieben Männer
mit Kohle.« In der rechten Hand hält er eine Grillzange.
    Â»Ach, hallo Liv«, sagt er, als wäre er gerade
dazugekommen. »Schönen Urlaub gehabt? Soll ich dir eine
Wurst mit auf den Grill legen?«
    Später in der Nacht, als sie bei Festbeleuchtung in ihrem
Bett liegt,an die Decke starrt, die Laken zerwühlt und darauf
wartet, dass ihre Wut endlich verglüht, hat Liv keine exakte
Erinnerung daran, auf welche Weise die Zange aus Jankos Hand in ihre
gelangte. Wie sie diese zunächst in seinen Magen und
anschließend noch in den Garderobenspiegel rammte, der sofort
zerbarst, weiß sie hingegen ganz genau, weil sie dabei an
Rúnars Weinglas denken musste und an die unendlich vielen
Möglichkeiten für den Spiegel, kaputtzugehen.
    Jankos Geschrei hallt immer noch in ihrem Kopf nach: Dass er sie
anzeigen werde. Und dass sie krank sei. Unendlich krank.
»Kraaaaaaaank!«
    Rückkehr zur Normalität, das ist es, was man jetzt in
der Firma von Liv erwartet, was vor allem sie selbst von sich
erwartet.Aber wie? Jeder neue Tag erstreckt sich vor ihr wie eine
Eiswüste, Regentage, Sommersonnentage, egal, die Islandkälte
steckt ihr in den Knochen. Erfreulicherweise ist der Berg
liegengebliebener Arbeit hoch genug, um sie bis Weihnachten unter
sich zu begraben. Falls ihr nicht eine Anzeige ihres Exmannes
dazwischenkommt.Anfangs rechnet sie stündlich mit dem Erscheinen
der Polizei in ihrem Büro oder zu Hause, denn Jankos Drohung
klang ernst, und sie hat sich ausgerechnet, was auf sie zukommen
könnte: eine Verurteilung wegen Körperverletzung und
Sachbeschädigung, eventuell Hausfriedensbruch. Das würde
sie automatisch die Sprengberechtigung kosten, in der Folge müsste
sie ihren Beruf an den Nagel hängen, und ihr bliebe nur noch die
gleiche Perspektive wie Tönges: sich auf Nimmerwiedersehen
davonzustehlen.
    Doch die Polizei kommt nicht und schickt auch keine Briefe, und
ganz allmählich gelingt es Liv,sich ein wenig zu
entspannen.Anscheinend hat Janko es sich anders überlegt.
Vermutlich aus Scham. Denn welches Weichei lässt sich schon von
einer Frau eine Grillzange in den Magen rammen? Nicht, dass sie stolz
darauf wäre. Na ja, jedenfalls nicht sehr.Aber sie findet
Gefallen an der Gewissheit, dass ihr Großvater stolz auf sie
wäre.
    Juni, Juli, August. Wochen reihen sich
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