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Wie Sand in meinen Händen

Wie Sand in meinen Händen

Titel: Wie Sand in meinen Händen
Autoren: Luanne Rice
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Körper, wäre ihm nur zu gerne ins Bett gefolgt; der Gegensatz zwischen dem anheimelnden Cottage und dem gefährlichen Rand der Klippe weckte ihr Begehren, mehr als jemals zuvor. Doch als sie sich gerade vom Fenster abwenden wollte, bemerkte sie für den Bruchteil von Sekunden einen Schatten, der am Haus vorbeihuschte.
    »Hast du das gesehen? Da geht jemand den Weg entlang – dort drüben.«
    John schaute aus dem Fenster. Er runzelte die Stirn, presste seinen Kopf gegen die Glasscheibe und versuchte, in dem strömenden Regen etwas zu erkennen. Der Garten an der Seite des Hauses war von großen, schlammigen Fußspuren übersät, die zur Skulptur führten, und sein Blick fiel auf einen hochgewachsenen Mann, der in Richtung Landspitze eilte.
    »Wer ist das?«, fragte Honor, während John in seine Jeans schlüpfte.
    »Keine Ahnung.«
    »Warum ziehst du dich dann schon an? Ich dachte –«
    »Wo sind die Mädchen?«
    »Im Bett. Sagte ich bereits … Sie sind müde nach der langen Reise …«
    »Honor. Dieser Mann, von dem ich dir erzählt habe. Ich bin ihm unten auf den Docks in Cobh begegnet. Ich habe dort Nachforschungen angestellt, um etwas über das Schiff herauszufinden, mit dem meine Familie nach Amerika ausgewandert ist. Ich machte einen Abstecher in eine Bar und kam mit einem Einheimischen ins Gespräch – er stammt aus Connemara und war hier auf Arbeitssuche. Ich brauchte Hilfe, um die schwere Skulptur aufzurichten, und stellte ihn ein. Gregory White.«
    »Er hat dir geholfen?«
    »Ja. Ich habe ihn für seine Arbeit bezahlt. Aber er lässt mich nicht in Ruhe. Er taucht ständig bei mir auf, verlangt, dass ich ihn weiter beschäftige, fordert mehr Geld. Ich erklärte ihm, ich hätte keine Verwendung mehr für ihn, und daraufhin hat er meine Skulptur verwüstet. Er riss Äste und Zweige ab, warf sie über die Klippe. Und er riss das Kreuz aus der Verankerung, so dass ich hinaufklettern und es wieder befestigen musste.«
    »Warum hat er das gemacht?«
    John schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich fürchte, dieser Greg ist ziemlich verkorkst. Trinkt eine Menge. Ich habe den Fehler begangen, ihm von den Goldschmugglern zu erzählen, und nun glaubt er, auf diesem Stück Land sei Piratengold vergraben. Er ist gemeingefährlich. Wir hatten einen Streit, Honor. Ich habe gedroht, ihn umzubringen, wenn er meine Installation noch einmal anfasst.«
    »Wieso denkst du, dass er das gerade war? Könnte nicht genauso gut jemand anderes den Küstenpfad entlanggegangen sein?«, fragte Honor zitternd. Sie zog ihren Bademantel an, weil ihr plötzlich kalt war, als würde ihr der Wind durch die Fensterscheiben bis ins Mark dringen. Sie spürte, wie ihr Herz sank. Die Beziehung zwischen John und ihr war seit der Ankunft so harmonisch gewesen, und nun das …
    »Herumspazieren, an einem solchen Tag?«, fragte John. Sie sah, wie die innere Anspannung auf seine Muskeln übergriff; seine Schultern wirkten doppelt so breit, wenn er in Zorn geriet. Er war niemals wütend auf sie gewesen, aber sie spürte trotzdem, was er empfand. »Verdammt. Verdammt. Wenn er sich wieder an meiner Installation vergreift, dann gnade ihm Gott … Die ganze Bar hat gehört, was ich ihm angedroht habe. Ich habe ihn gewarnt!«
    »John, hör auf!«
    »Ruf die
Gardai
, Honor. Die Polizei. Die Nummer liegt neben dem Telefon. Mir reicht’s. Sag ihnen, sie sollen schleunigst nach Old Head kommen. Ballincastle.«
    »John, geh nicht da raus!« Sie starrte in das Unwetter hinaus, das draußen tobte. Doch er war bereits an der Tür und riss sie auf. Der Wind heulte, wirbelte Papiere durch den Raum. Johns und Honors Blicke trafen sich, aber er antwortete nicht. Wortlos schlug er die Tür hinter sich zu und verließ das Haus.
    Das ist mein Leben, dachte sie. In der einen Minute in Johns Armen, und in der nächsten – wenn sein rastloser Geist ihn wieder einmal umtrieb, hinein in einen Orkan der Windstärke 10 – stand sie alleine da und fragte sich, was soeben passiert sein mochte. Der Widerhall ihrer eigenen Worte, die sie ihm im letzten Moment nachgerufen hatte, klang in ihren Ohren:
»John, geh nicht – bitte John – nicht!«
Sie kam sich wie die Mutter eines halsstarrigen, eigensinnigen kleinen Jungen vor. Was war aus der Honor geworden, die jeden Gipfel erklommen und mit ihrer eigenen Kunst bis zum Äußersten gegangen war?
    »Wohin geht Dad?«, fragte Regis schläfrig, die im Nachthemd zur Tür hereinkam.
    »Er schaut nach seiner Skulptur.« Honor
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